Februar 11, 2009

BERLINALE 2009 - From The Ritz To The Rubble

The Times of Harvey Milk (USA, 1984) / Milk (USA, 2008)

Celebration Presentation: Rob Epsteins Dokumentation der politischen Hochzeit des ersten schwulen Supervisors von San Francisco. Nüchtern und überlegt rekonstruiert der Film die Ereignisse bis zum gewaltsamen Tod Harvey Milks Ende der 70er, befragt Angehörige und Freunde, und untersucht die Entstehung einer Subkultur rund um das heute legendäre Castro-Viertel. Harvey Fiersteins Voice-Over verleiht dem Film dabei eine nicht immer geglückte Sentimentalität, ansonsten ist Epsteins Faktenanalyse jedoch von großem Referenzwert. Nicht zuletzt Gus Van Sant beweist das mit seiner dramatisierten Version der Ereignisse, die sich in vielerlei Hinsicht streng an "The Times of Harvey Milk" orientiert.

Van Sant konzentriert sich auf den privat und beruflich entscheidenden 10jährigen Lebensabschnitt Milks. Gradlinig erzählt, setzt er Dustin Lance Blacks faktenreiches Drehbuch als kraftvolles, enorm versiertes Biopic um. Der visuelle Ideenreichtum in der Rekonstruktion des politischen und gesellschaftlichen Zeitgeists ist atemberaubend. "Milk" im schlicht strukturierten, konventionellen Mainstreamformat zu inszenieren, erscheint die einzig logische Möglichkeit, den von Epstein vorbereiteten Stoff zu dramatisieren. Klug und sensibel, voller Zwischentöne und überlegter Figuren über- rascht die Differenziertheit der Interpretation, insbesondere in der Skizzierung Dan Whites. Der Film lebt letztlich von Sean Penn in der Rolle seines Lebens, dessen Transformation begnügt sich nicht mit imitiertem Sprach- und Bewegungs- gestus, sondern bildet eine lebhafte, glaubwürdige und fein nuancierte Schauspielleistung.

Beide Filme sind im Panorama zu sehen.


80% / 90%

Vingança (Retribution) (BR, 2008)

Das Regiedebüt des Brasilianers Paulo Pons ist die erste von vier einheimischen Low-Budget-Produktionen, die von der nationalen Förderinitiative PAX Films in Auftrag gegeben wurden. Der Film erzählt eine zunächst undurchsichtige Geschichte: Eine Frau wird an einem Fluss aufgefunden, sie wurde dort vergewaltigt und schwer verletzt zurückgelassen. Einige Monate später begibt sich ihr Verlobter Miguel in Rio auf die Suche nach dem Täter, im Auftrag seines vermögenden Schwiegervaters in spe. Widerwillig soll er den Mann aufspüren und töten, der seiner geliebten Camilla das Leben zur Hölle gemacht hat.

Durch seine komplex erscheinende Erzählstruktur wirkt "Vingança" (Rache) zunächst wie ein nicht uninteressantes Erforschen sozialer Milieus, in denen viele Figuren in einem zeitlich und räumlich unklaren Verhältnis zum expositiven Verbrechen stehen. Schnell erschöpft sich das Drehbuch- konzept der Mitteilungsarmut aber schnell, wenn die ewigen Rätselfährten nur noch Ermüdung hervorrufen. Der mitunter unfassbar langweilige Film entpuppt sich dann zunehmend als simpel gestrickter Rachethriller, der auf einige Genrefragen zwar erfreulich unkonventionelle Antworten gibt, mit seiner ideenlosen Inszenierung hingegen alle Sympathie restlos verspielt. Nicht zuletzt die permanent ruhelose und grundlos zittrige Kamera droht einen dabei in den sicheren Wahnsinn zu treiben.


15%