Dezember 28, 2008

Das war's: Rückblick 2008 - Tops & Flops

Im Gegensatz zu den letzten beiden Jahren werde ich die Tops und Flops zusammenfassen und keine spezielle Flop 10 erstellen. Habe irgendwie keine Lust mehr, den Crap auch noch zu ranken, schlimm genug, dass ich so viel Scheiße sehen musste. Deshalb soll der ausführliche Platz den großartigen Filmen vorbehalten sein. Hier also nun alle Filme des Jahres, die ich gesehen habe, absteigend aufgelistet, beginnend mit der Top 10:


10. Drifter
(Sebastian Heidinger)

Sehr überlegt inszenierter Dokumentarfilm über die Jugendprostitution am Bahnhof Zoo, jenseits von "Christiane F.". Mit emotionaler, nicht aber räumlicher Distanz nähert sich Heidinger einem sozialen Problembereich in der Nische: Das Quasi-Lichten einer Grauzone geschieht mit der nötigen Subtilität und für einen jungen Regisseur von der Film-Uni erstaunlich unprätentiös. Ein Film, der mich nicht zuletzt wegen seines unkonventionellen, szenischen Konzepts beeindruckt hat.


9. Once (John Carney)

Eine wundersame Liebesgeschichte über die Kraft der Musik. Sicher, ein wenig ist der irische Independentfilm cheesy inszeniert, manchmal gar orientierungslos, aber er ist dabei eben auch unbeholfen sympathisch und stets aufrichtig. Mit zwei großartigen Hauptdarstellern und noch großartigerer Musik einer der schlicht schönsten Filme des Jahres.


8. Mamma Mia! (Phyllida Lloyd)

Nach einem Trailer mit hoher Fremdschämgarantie erwies sich die Kinoumsetzung des beliebten Stage-Musicals um die ABBA-Klassiker als unbekümmertes Camp-Fest, das so viel Lebensfreude und Gute Laune versprüht wie kein anderer Film 2008. Eskapismus in Reinkultur, wunderbar besetzt. Und mit Mut zur Peinlichkeit.


7. WALL·E (Andrew Stanton)

Ein Film über die stille Liebe zweier Roboter. Inmitten "Hello, Dolly!" als kommunikativer Vermittler - die Sprache eines jahrhundertealten Films auf Video reift zur einzigen Sprache eines volldigitalen Films, der 700 Jahre in der Zukunft spielt. Die erste Hälfte gar von ungeheuerer Brillanz, eine bewegende und komplexe Studie über Einsamkeit und Verstummung – in einem Kinderabenteuer! Danach schlittert "Wall-E" zwar über bekanntes Terrain, dennoch hat Pixars Quasi-"E.T. 2.0" mein Herz im Sturm erobert.


6. Le Scaphandre et le papillon (Julian Schnabel)

Julian Schnabels Interpretation eines Schicksals. Von Jean-Dominique Bauby, der nach einem Schlaganfall vollständig gelähmt ist – und nur mit seinem linken Auge kommunizieren kann. Bauby schrieb im Krankenhaus ein Buch: Er diktierte es ausschließlich über seinen Lidschlag, nur wenige Tage nach Veröffentlichung starb er 1997. Diese unglaubliche, bewegende Geschichte verarbeitet Schnabel als filmische Rekonstruktion zu einem humanistischen Manifest. Zunächst experimentell, später konventionell, aber immer mit einem Höchstmaß an inszenatorischer Konzentration. Da ich dieses Jahr erstmalig Dalton Trumbos Meisterwerk "Johnny got his Gun" gesehen habe, blieb der große Effekt der filmischen Erzählsubjektive leider aus, dennoch ist "Schmetterling und Taucherglocke" ein großartiger Film. Und es ist fast allein Janusz Kaminskis Film.


5. Otto; or, Up With Dead People (Bruce La Bruce)

Ein poetischer Zombiefilm. Otto, der queere Untote, watschelt durch die Überreste des Plänterwaldes, fährt mit der U1 durch Berlin – und landet in einem Underground-Film einer lesbischen Kapitalismuskritikerin. Zwischen Gedärm und Blut und Bauchhöhlenficks findet Bruce La Bruce einfühlsame Bilder für Coming-Out-Nostalgie und Sinnsuche. Ein höchst faszinierender, verspielter Film. Mit Sicherheit die größte Überraschung des Jahres.


4. Låt den rätte komma in (Tomas Alfredson)

Der originellste, abgründigste, schönste Vampirfilm seit langer, langer Zeit. Klug und komplex spinnt er Motive von Anne Rice weiter, erinnert dabei manches Mal an Astrid Lindgren. In erster Linie aber ist es ein Film über Kinder, der sich in vielerlei Hinsicht sehr überlegt mit Sexualität und Gewalt auseinandersetzt. Ein bemerkenswertes Seherlebnis.


3. Les Chansons d'amour (Christophe Honoré)

Was zunächst wie eine leicht verrückte Hommage an Jacques Demys "Les Parapluies de Cherbourg" erscheint (immerhin spielt Catherine Deneuves Tochter auch noch eine tragende Rolle), ist nicht weniger als das entzückend schönste Filmmusical des Jahres. Verspielt, leichtfüßig und oft auch sehr frech erzählt Christophe Honoré hier eine ganz wunderbar beiläufig queere Geschichte über Liebe und Tod in regnerischen Bildern. Die Songs sind absolut großartig, die Schauspieler umwerfend. Und das ganz besonders Tolle an diesem Film ist seine Bezugnahme auf die Nouvelle Vague und die ewig gleichen Mann-Frau-Beziehungsgeschichten eines Jean Luc Godard – nur um deren heterosexuelle Klischees zu überwinden. Es ist außerdem der einzige Film, der mir in diesem Kinojahr Freudentränen entlocken konnte.


2. Sweeney Todd – The Demon Barber of Fleet Street (Tim Burton)

Tim Burton hat sich nicht länger vor der Herausforderung eines Realfilmmusicals gedrückt. Und er ist nicht, wie selbst viele Altmeister, an der inszenatorischen Komplexität des Genres gescheitert. Noch dazu hat es der Regisseur nicht gescheut, die heiligste Kuh aller Musicals zu adaptieren, nämlich Stephen Sondheims Jahrhundertkomposition vom teuflischen Barbier auf Rachefeldzug. Das Ergebnis ist überwältigend: So ökonomisch und punktgenau inszenierte Burton seit "Ed Wood" nicht mehr. Die perfekte Schauspielführung, das brillante visuelle Konzept, die betörende Neueinspielung der Musik – auch nach 6 Sichtungen allein in diesem Jahr mein persönlicher Lieblingsfilm 2008.


1. There Will Be Blood (Paul Thomas Anderson)

Nach einem großartigen ("Boogie Nights"), einem herausragenden ("Magnolia") und einem entzückend- schönen ("Punch-Drunk Love") Film hat P.T. Anderson hier sein erlesenes Meisterwerk vorgelegt. Wenn es im Jahre 2008 noch gelingt, ästhetisch so außerordentlich originell wirken und neue filmische Gestaltungsmittel derart beeindruckend für sich beanspruchen zu können, dann gehört das natürlich ganz oben an die Jahresspitze. Andersons Kraft durchdringt dabei jede Ebene der Inszenierung, der Film über ein Monster wird zum Monstererlebnis, im völligen Bewusstsein seiner künstlerischen Mittel. Der beste amerikanische Film seit "Brokeback Mountain".


Runner Up's:

All the Boys Love Mandy Lane / Australia / Before the Devil Knows You’re Dead / Boy A / Cloverfield / Dead Man’s Shoes / Hellboy II: The Golden Army / High School Musical 3: Senior Year / In Bruges / Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull / Mala Noche / No Country For Old Men / Run, Fatboy, Run / Savage Grace / Wanted / You Belong to Me

Gehobenes Mittelfeld:

Caramel / Control / Diary of the Dead / El Orfanato / Hatsu-Koi / Hellbent / How to Lose Friends & Alienate People / Iron Man / Presto / The Darjeeling Limited / The Dark Knight / The Savages / Transsiberian / Vicky Cristina Barcelona / We Own the Night / Wolke 9 / Youth Without Youth

Annehmbar:

Dan in Real Life / Du levande (You, the Living) / Fireflies in the Garden / I'm Not There / Into The Wild / Jackass 2.5 / Juno / Quantum of Solace / You Kill Me

Kleine Geistesblitze nicht ausgeschlossen:

[REC] / Be Kind Rewind / I am Legend / Lars and the Real Girl / Science of Horror – Wenn die Kettensäge zum Penis wird / Speed Racer

Daneben:

Cassandra’s Dream / Die Welle / Frontière(s) / Rambo / Star Wars: The Clone Wars / The Bucket List / The Good Night / The Incredible Hulk / The Mummy: Tomb of the Dragon Emperor / You Don’t Mess With the Zohan

Brechmittel:

À l'intérieur (Inside) / Babylon A.D. / Der Baader Meinhof Komplex / Doomsday / Inkheart / KeinOhrHasen / Krabat / Mirrors / Paranoid Park / Prom Night / Saw IV / The Day the Earth Stood Still / The Mist

Körperverletzung:

10,000 B.C. / Bedtime Stories / Camp Rock / Dream Boy / Eagle Eye / Funny Games U.S. / La Terza madre (Mother of Tears) / Never Back Down / Street Kings / The Accidental Husband / The Happening

Guilty Pleasure:

The Women