Mai 12, 2008

Kino: PARANOID PARK

Portland. Alex (Gabe Nevins) stammt aus einer Mittel- standsfamilie, ist Skater und hängt seit neuestem im Paranoid Park herum. Für einen Skater sei dieser Ort die absolute Herausforderung, einer, der man eigentlich sowieso nie gewachsen sein könne. Dennoch verschlägt es Alex immer wieder dort hin, er beobachtet die Menschen, die in eine eigene Welt eingetaucht scheinen, denkt über sich und sein Leben, seine sexgeile Freundin Jennifer (Taylor Momsen) und die Scheidung der Eltern nach. Als er sich eines Abends von einem obdachlosen Jungen aus dem Paranoid Park zum train hopping anstiften lässt, passiert ein schrecklicher Unfall, bei dem durch ein Versehen ein Bahnwärter ums Leben kommt. Alex’ Schuldgefühle lassen ihm fortan keine Ruhe mehr.

Gus Van Sant ist erneut oder wohl eher noch immer in seiner Wahlheimat Portland umtriebig. Seine Mission ist es, verwegene Jugendliche auf ihrem lethargischen Weg zu begleiten, und ihnen damit vielleicht auch ein wenig den rechten Weg aufzuzeigen. Diese Teenager bei Van Sant sind für sich lebende, orientierungs- und ziellose Loser, die kein Interesse für sich, für ihr Umfeld oder ihr Land, ihre Politik zeigen. Das sind kids, vermutlich aus der nächsten Seitenstraße des ken park, und sie sind so richtig ‚lost’ und so richtig ‚delirious’. Und sie haben bestimmt nur auf jemanden wie Van Sant gewartet. Der zeigt sie so, wie sie sind, der arbeitet mit Laiendarstellern, an authentischen Spielplätzen und bringt das nötige Einfühlungsvermögen mit, der hat Verständnis für seine Jungs und setzt sie ansprechend in Szene. Nirgendwo sonst sieht das Vorortselend der Generation X+ schließlich so schön, so stilistisch verfeinert, so ansehnlich aus wie in "Paranoid Park".

Diese ganze Masche, das ganze Getue Van Sants vereint sich auch in diesem Film abermals zu einem bemüht kunstvollen Geschichtchen vom Skater-Boy aus der Mittelschicht. Durchaus weniger hysterisch, aber ähnlich altherrenmäßig wie Kollege Larry Clark begibt er sich ganz auf Augenhöhe seiner Anti-Helden, die ihre pubertären Bedürfnisse dieses Mal nicht im heroin chic bekunden und ausleben, sondern mal wieder den Skater-Fetisch bedienen dürfen. Um die Jugend ist es wohl schließlich überall gleich schlecht bestellt, ob nun im Junkie-Straßenmilieu ("My Own Private Idaho"), dem gewöhn- lichen Schulraum des Bürgertums ("Elephant") oder der selbstzerstörerisch grungigen Musikszene ("Last Days") – am Ende oder kurz davor sind sie eben alle bei Van Sant. Die allgemeine Passivität dieser Kids, ihre völlige Gleichgültigkeit verkörpert Alex in "Paranoid Park". Und natürlich ist da mehr in ihm selbst, in seinen Gedanken. Da verbirgt sich all die Empathie und Anteilnahme, die er und seinesgleichen bei aller Coolness und Abgeklärtheit, bei aller verdeckten Unsicherheit nicht zeigen können. Alex hat Schuldgefühle, die er nicht auszudrücken weiß. Und wie gut, dass er dafür Opa Van Sant hat.

Dabei zeigt der Film nur selektierte, konstruierte Momente, in schicken, aber falschen Bildern von Christopher Doyle, er lässt seine Figur umherstreifen und –ziehen, und mit etwas Monolog als Voice-Over übers eigene Adoleszenzleid sinnieren. Zusammenhänge werden da nicht deutlich, alles wirkt nur irgendwie hingestellt und einfach da, Ideen und Formu- lierungen muss man sich selbst zusammensuchen, Rückschlüsse ziehen und warten, was Van Sant einem hier als nächstes vorsetzt. Die immer wieder eingestreuten Skater-Szenen im Super8-Format illustrieren wohl so etwas wie eine Sinnsuche, wenn die Teens durch die Tunnel einem Licht entgegen boarden, das sie wohl doch nie erreichen werden. Dazu legt sich über die Tonspur ein Best Of Nino Rota, weil’s ja irgendwie passt und dann auch dem Cineasten munden wird. Das alles ist schön und gut, aber so belanglos, so öde, so ewig gleich in Szene gesetzt. Van Sant wiederholt sich nur, die langen Einstellungen, die Gänge durch Schulen, die nackten Jungs – alles wie gehabt. Und mit einem Hauptdarsteller besetzt, der meistens nichts anderes tun darf, als sich aus- und umzuziehen, und selbst dabei noch dreinschaut, als hätte er keinen blassen Schimmer, wie er hier was spielen soll. Womöglich ist das ja das Van Sant-Prinzip: Der Junge kann tun und machen, aber seine Boxershorts in Großaufnahme werden immer mehr Ausdruck haben als er. Und dann am Ende verbrennt der Typ alles, was er in 80 Minuten aufgeschrieben und uns vorgelesen hat – sein Geständnis, seine Gedanken, sein ganzes Inneres. Alex ist am Anfang ein haltloses Kind und er ist es auch noch am Schluss. Ein wenig war das also alles für die Katz, dieser Film.


20%