März 28, 2008

DVD: FAMILY GUY - BLUE HARVEST

Lando Calrissian ein Quotenschwarzer. Der Schrotthändler Watto ein Insekt, das in Laserschwertfallen fliegt. Obi-Wan Kenobi ein alter lüsterner Sexbock. Han Solo ein Sperrmüllsammler. Imperiale Streitkräfte als heimlich schwule Uniformträger. Darth Vader eine zu klein geratene, verkappte Showdiva mit Napoleonkomplex. Luke Skywalker ein vertrottelter, tumber Taugenichts: Die Verkehrung der bekannten, zu Popklischees gezüchteten Figuren des "Star Wars"-Universums ließe sich noch weiter fortsetzen. Systemimmanent haben die Macher von "Family Guy" jede Note ihres persönlichen Vorbildes, strukturbedingt "Episode IV – A New Hope", aufgegriffen, um sie neu anzustimmen, parodistisch oder vor allem auch einfach nur ungebrochen vorzuführen, um einer ihrer meistvertrauten, meistzitierten kulturellen Inspirationsquellen eine Sonderfolge der Zeichentrickserie zu widmen.

Nach eigenem Selbstverständnis ist "Blue Harvest" – schon der Titel eine Referenz, in diesem Fall der einstige Deckname des zur Drehzeit geheimen "Return of the Jedi" – die konsequente Weiterführung der zahlreichen "Star Wars"- Zitate innerhalb von fünf Staffeln "Family Guy". Neu ist das also nicht, war es auch nie. Schon die "Simpsons" bearbeiteten das George Lucas-Imperium immer wieder mit Referenzen und Nachahmungen, unzähligen Ver- und Hinweisen, sie nutzten die Filmserie oft für regressiven Humor, spielten auf die kapitalistische Ausbeute der Lucasfilm- Maschinerie oder die ausbleibenden Karrieren der Hauptdarsteller an (beispielsweise in der Folge "Mayored To The Mob", deutsch: "Der unerschrockene Leibwächter"), wie "Star Wars" gemeinhin überhaupt als eines der meistparodierten Beispiele der Postmoderne gelten dürfte. Besonders einfallsreich und findig erscheint es also schon einmal nicht, sich mit der eigenen Idee ins fremde Konzept zu manövrieren, um sich nach Herzenslust austoben zu können: Die "Family Guy"-Figuren durchleben "Eine Neue Hoffnung", orientieren sich sicher am Handlungsverlauf des Films und streuen links und rechts nach Belieben Gags ihres eigenen charakteristischen Stils.

Das verläuft zumeist in erwartungsgemäßer Form, die Autoren nutzen bekannte Muster und teilen dort Seitenhiebe aus, wo man sie auch vermuten dürfte: Manche Ungereimtheiten des Originaldrehbuchs werden bewusst wiederholt, hämisch kommentiert und überbetont hervorgehoben, ebenso wie die strikt asexuelle Ausgestaltung der "Star Wars"-Welt um besonders schlüpfrige, aus latenten Andeutungen und Vermutungen der Vorlage heraus gelöste Grobheiten ergänzt wird. "Blue Harvest" ist dabei stets als Produkt einer Gruppe von Fans identifizierbar, die konkreten Witze beziehen sich überwiegend auf Einzelelemente des Films, auf Lücken und Stellen, über die Generationen von Nerds schon diskutiert und gegrübelt haben. Es würde zum Beispiel nicht verwundern, wenn die dritte Folge, die sich "Episode VI" widmen dürfte, auf Insider-Plotholes wie die Beschaffung des Tydirium Shuttles verweist. Genau dieses Dekuvrieren, dieses Deutlichmachen von Wissen und Studium erwartet man von einem solchen Unternehmen.

Indem "Family Guy" hier also ein ganz konkretes Sujet zum Ziel seiner harmlosen Attacken erklärt, bleibt die Serie von Schöpfer Seth MacFarlane ihrem Duktus treu, vordergründige und spezifische Referenzvorbilder zu bedienen. Im Gegensatz zu ihren Kollegen und inoffizieller Inspirationsquelle "The Simpsons" nutzt die Comedyshow das Bezugsobjekt auch hier nicht für die Position weiterführender Merkmale, für ein Erweitern des Rahmens, in dem sich der reine zu parodierende Gegenstand befindet. "Blue Harvest" veralbert "Star Wars" gar nicht in dem Sinne, dass es sich darüber amüsieren, es der Lächerlichkeit preisgeben würde. Vielmehr kopiert es das Vorbild, übernimmt exakte Bestandteile, um sie aus Spaß an der Freude zu reproduzieren, ihre Wiederholung als genussvolles Nachspiel zu begreifen und genau daraus einen bestimmten Humor abzuleiten. Die "Simpsons" würden eine "Star Wars"-Parodie auch als Möglichkeit zu allgemeinen Statements wahrnehmen, und das haben sie sogar mehrfach. In gewisser Hinsicht benutzen sie das Vorbild, um größere Zusammenhänge herzustellen, um ganze Systeme der Popkultur aufzugreifen. Die Parodie als solche ist bei ihnen fester Bestandteil der eigenen Welt, das Original würde eingebettet, zurechtgebogen und an die richtigen Stellen platziert, während "Family Guy" sich mit "Blue Harvest" genau andersherum den Gegebenheiten des Referenzobjekts unterordnet. Im Mittelpunkt steht das Nachspielen von "Star Wars", und jedweder Humor konstituiert sich auch nur innerhalb dieses Spiels, ein Gag bleibt ein Gag zu "Star Wars", einer der korrelativen Fiktion, ein kurzer, für sich stehender Joke, rein der postmodernen Attitüde verbunden, als solcher vom Publikum erkannt zu werden.

Es bleibt deshalb wie immer bei MacFarlanes Projekt der Eindruck, dass sein Comedy-Ansatz ein beschränkter ist, einer, der hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Eine "Star Wars"-Parodie sollte im besten Falle nicht nur ein einfaches Zelebrieren des Vorbildes sein, sondern ein Kommentar, der die vorgeführten Eigenheiten nicht ausschließlich für den Verweis auf sich selbst nutzt (ein Witz über Darth Vader als ein Witz über Darth Vader, der lediglich auf einen Witz über "Star Wars" schließen lässt). Das Phänomen der Weltraum- saga selbst bleibt völlig unangetastet, weil sich der Humor fast nur im Innern der Handlung, der eigenen konstruierten Welt abspielt, das Referenzfeld aber immer überschaubar bleibt. Das reicht nicht einmal für einen Seitenhieb auf die Special Editions der Filme, auf das Riefenstahl-Ende, oder sich selbst so ernst nehmende Imperium, das die Filmreihe als solche bildet – weil "Blue Harvest" sich trotz aller Komik und Albernheit selbst auch ernst nimmt. Nicht auszudenken deshalb, wie die "Simpsons" etwa die archetypischen Figuren über die eigenen gemünzt, wie sie die zusammen gewürfelte Erscheinung der Filme als Abzug anderer Vorbilder offen gelegt hätten, wie sie anders als hier vermutlich ganz einfach nicht nur einen Bush/Cheney-Button ans Heck des Sternenzer- störers geheftet, sondern Lucas vermutlich selbst zum despotischen Imperator seines eigenen Universums (v)erklärt hätten.


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