Oktober 31, 2011

PornFilmFestival 2011: THE TERRORISTS

Rothemden, Gelbhemden, Fische im Wasser – ein Filmessay von Thunska Pansittivorakul. "One man's terrorist is another man's freedom fighter.", und dann wird quer geschnitten durch das Antlitz des Terrors nach dem Massaker in Bangkok. Als Bestandsaufnahme kollektiven Leids, als unsichere Suche nach Zusammenhängen, als schlichter Ausdruck von Machtlosigkeit und Trauer ist "Poo kor karn rai" (The Terrorists) nichts außer be- und erdrückend, im steten Aphorismus seiner Bilder aber auch unendlich beeindruckend. Vom Politischen ins Private und vom Begrifflichen ins Anschauliche schillert Pansittivorakul zwischen dokumen- tarischer Abbildung und experimenteller Inszenierung im Strom gegensätzlicher Szenen, Orte und Eindrücke. Fragmentarisch bleiben die Bilder, lose die Verbindungen. Wenn Pansittivorakul in Off-Texten die Wunden einer traumatisierten Gesellschaft an die Hinwendung zum Körper bindet und Verbrechen der Obrigkeit mit erigierten Schwänzen verknüpft, übermitteln seine Anblicke radikal wie nachhaltig jenes Gefühl von Zwiespalt, das den Verlust von Einflussnahme und Übersicht mit dem einfachen Bedürfnis nach Empfindsamkeit beantwortet. Schwierig, diskutabel und alles, was Film nur ausdrücken kann. Fische im Wasser, der Letzte macht das Licht aus.


80%

PornFilmFestival 2011: FUCKING DIFFERENT XXX

Weiterführung des bisher streng auf einzelne Metropolen beschränkten "Fucking Different"-Projekts, das erotische Kurzfilmepisoden von Regisseuren aus einer jeweils gleichen Stadt kombinierte (Berlin, New York und Tel Aviv). "Fucking Different XXX" nun versammelt erstmals acht international bekannte Szene-FilmemacherInnen, die ganz persönliche Beiträge von einem Ort ihrer Wahl beisteuern. Die Konzepterweiterung sieht außerdem – der Titel kündigt es an – ausgedehnten Hardcore vor, gefilmt aus der Perspektive des anderen Geschlechts. So begleitet zum Beispiel Todd Verow ("Frisk") Lesben-Cruising in Paris, während Maria Beatty ("Post Apocalyptic Cowgirls") ihre Camp-Version von Abel und Kain in einem New Yorker Schwulenclub inszeniert. Die insgesamt acht Beiträge schwanken von amüsant bis unansehnlich, von einfallsreich bis erschreckend lustlos – und in der Summe ermüden die überwiegend schnell herunter gekurbelten Episoden in ihrer leider handelsüblichen Pornoeintönigkeit mehr, als dass sie halbwegs unterhalten. Interessantes Konzept, enttäuschende Ausführung.


40%

Oktober 29, 2011

PornFilmFestival 2011: DIE JUNGS VOM BAHNHOF ZOO [aka. STRICHER aka. RENT BOYS]

Rosa von Praunheim, einst Regisseur zahlreichen schwulen Ulks, Mediendiva über Gebühr und öffentlicher Outing-Nötiger, gehört ja nun schon seit einiger Zeit zu den interessantesten Dokumentarfilmern Deutschlands. Seine Milieustudien und teils auch hochpersönlichen Arbeiten laufen längst nicht mehr nur pflichtschuldig, sondern wegen ihrer großen Sorgfalt in der Erstellung von Einblicken in Subkulturen, Szenenischen und Zwischenräume des Alltags auf sämtlichen hiesigen Festivals. "Die Jungs vom Bahnhof Zoo", co-produziert vom NDR und rbb, schildert die Entwicklung von Strichern und Callboys in Berlin seit dem Fall der Mauer. Fünf von ihnen begleitet Praunheim, lauscht ihren unterschiedlichen Geschichten und lässt außerdem Freier, Barkeeper und Sozialarbeiter zu Wort kommen. Mit größter Zurückhaltung und fast teilnahmslos dokumentiert der Film Schicksale – selten fragt Praunheim in den Gesprächen nach, nie bohrt er in der Vergangenheit seiner Protagonisten. Gewohnt souverän gelingt es ihm damit, durch Zusammenführung und Montage mehr über die von ihm interviewten Menschen zu zeigen, als diese in den Gesprächen artikulieren wollen und vielleicht auch können. Dank der besonderen Unterschiedlichkeit aller Protagonisten in ihren Lebenswegen, Motivationen und Schlussfolgerungen entwirft der Film ein vielfältiges und komplexes Bild über ein Thema, das anderswo nach wie vor von viel zu vielen Klischees bestimmt wird.


70%

PornFilmFestival 2011: MADAME X

Ein indonesischer Transvestiten-Superheldenfilm über einen Drag-Friseur, der im Lady-Gaga-Outfit, mit gezielten Dance Moves und magischen Wurfmessern bewaffnet, einer homophoben militanten Untergrundorganisation den Garaus macht. Was nach handelsüblichem Indonesia-Trash vergangener Tage klingt, ist der wohl spielerischste und amüsanteste Film des diesjährigen Pornfilmfestivals – eine bis ins Mark queere, anarchistische und obendrein entzückend liebenswürdige Komödie voller Camp und Pomp. Mit "Madame X" erweitert Regisseur Lucky Kuswandi die Reihe der unbeholfenen Normalo-Superhelden der Neuzeit um eine durchgeknallte Drag-Queen. Als Quasi-Ergänzung des momentan angesagten Trends superkräfteloser Superhelden erweitert der Film die jüngeren Blickrichtungen innerhalb der "neuen" Comicästhetik nicht nur um eine queere Perspektive, sondern setzt natürlich auch stechende Duftmarken mit seinen Verweisen auf ganz reale gesellschaftspolitische Entwicklungen in Indonesien. Und wie Kuswandi auf sympathischste Art im Interview erzählte, habe man den Film nur deshalb durch die strenge Zensur bekommen (und einen landesweiten Kinostart erzielen können), weil die zahlreichen der schwulen Szene entsprungenen Insiderwitze und englischen Dialogfetzen dort gar nicht verstanden worden seien. "Madame X" ist also nicht nur irrsinnig komisch, sondern sogar ein bisschen subversiv. Geheimtipp!


70%

Oktober 28, 2011

PornFilmFestival 2011: BLIND LOVE

Sympathische Pink-Eiga-Komödie von Daisuke Gotô ("A Lonely Cow Weeps at Dawn") mit freilich recht zweckdienlichen Sexeinlagen und einem wunderbar skurrilen Plot, der reich ist an aberwitzigen Situationen und ulkigen Figuren. Im Mittelpunkt von "Blind Love" (OT: Waisetsu sutêji: Nando mo tsukkonde), der in Japan bereits 2005 veröffentlicht wurde, steht eine widerwillige Dreiecksbeziehung zwischen zwei Männern und einer blinden Frau, die keinen Schimmer davon hat, dass die Stimme ihres Geliebten gar nicht zu dessen Körper gehört. Diese Konstellation generiert einigen amüsanten Slapstick, für den man natürlich am offensichtlichen Quatsch eher vorbeischmunzeln muss. Gewöhnungsbedürftig und mit Sicherheit nicht jedermanns Geschmack dürfte da schon vielmehr die teils arg schräge Kombination aus melancholischen Anklängen und hemmungs- losem Klamauk sein, die innerhalb einer einzigen Szene zu heftigen Brüchen in der Tonlage führt. Unterm Strich ein vergnüglicher und Pink-typisch knapper Spaß mit ebenso kurzer Lauf- wie Halbwertszeit.


50%

PornFilmFestival 2011: BLACKMAIL BOYS

Knapp zwei Jahre nach ihrem Debütfilm "Wrecked" melden sich die Shumanski-Brüder mit einem weiteren Coming-of-Age-Drama zurück. Die Mischung aus queerer Romanze und Thriller trifft zunächst ein paar hübsche Töne, ehe sich balladeske Stimmung und reinster Schwachsinn die Klinke in die Hand geben. "Blackmail Boys" versteht es geradezu verblüffend, eine an und für sich interessante Geschichte – Boyfriend A stiftet seinen als Stricher arbeitenden Boyfriend B an, dessen prominenten Freier mit einem Sexvideo zu erpressen – auf die konsequent uninteressanteste Art zu erzählen. Am Umstand, dass ebenjener Freier ein fundamentalistischer Christ ist, der in Büchern und Radioshows gegen Schwule wettert, zeigt der Film nur in Hinblick auf seine Titelprämisse Interesse. Am Ende verheizen die Shumanskis ihre Figuren auf beispiellose Art, während sich der in ganz nettem DV-Ambiente präsentierte Schmu mit gleich dreifachem Voice-Over auf der Bild- und Tonebene direkt ins eigene Aus kleistert. Einziger Lichtblick: Das blankziehende Mumblecore-Aushängeschild Joe Swanberg in der Rolle einer unangenehmen Schrankschwuchtel, die sich als Autor von Büchern wie "Accept Jesus’ Friend Request" selbst verleugnet. Zu schade, dass der Film nichts mit ihm anzufangen weiß.


30%

Oktober 27, 2011

PornFilmFestival 2011: MAN AT BATH

Eröffnungsfilm des sechsten Pornfilmfestivals Berlin von Autor und Regisseur Christophe Honoré, der einem größeren Publikum spätestens seit seiner umwerfenden Jacques-Demy-Hommage "Les chansons d'amour" (Love Songs) bekannt sein dürfte. Honoré inszeniert in "Homme au bain" (Man at Bath) das Ende einer schwulen Liebesbeziehung als parallele Bewältigungsphase, in der zwei Männer den Verlust des jeweils anderen zu verarbeiten suchen. Ohne konkrete Anhaltspunkte zu geben, konzentriert sich der Film fragmentarisch auf bestimmte Situationen aus Gegenwart und Vergangenheit, die Raum für Spekulationen sowohl über seine Figuren, als auch die Spuren einer vergangenen Liebe schaffen. Diese ganz spezifische Beschreibung eines Zustands der Trennung ist teils entzückend wirklich, und manchmal auch arg profan. Am Interessantesten wird Honorés Film dann, wenn Hauptdarsteller und Porno-Superstar François Sagat augenzwinkernd, aber auch bitterernst sein nahezu unnatürlich maskulines Image reflektiert. In einer der eindrucksvollsten Szenen heißt es, sein Körper sei wie Kunst, "schlechte Kunst" jedoch. So nackt wie in diesem Moment hat man François Sagat noch nie gesehen.


60%

Oktober 25, 2011

Kino: THE ADVENTURES OF TINTIN

Hunderttausend heulende Höllenhunde! Bereits 1983 sicherte sich Steven Spielberg die Filmrechte an "Tim und Struppi", doch erst jetzt schickt das ewige Hollywood-Wunderkind den wissbegierigen Reporter und dessen cleveren Foxterrier auf ihre erste große Kinoreise. Produziert von Peter Jackson und geschrieben unter anderem von "Scott Pilgrim"-Regisseur Edgar Wright, versammelt "Die Abenteuer von Tim und Struppi" ein internationales Team, das die berühmte Comicserie des Belgiers Hergé vorlagengetreu und mit beispiellosem Aufwand für die Kinoleinwand adaptiert.

"Das Geheimnis der Einhorn" ist der erste von vorerst zwei animierten Tintin-Kinofilmen, den noch unbetitelten zweiten Teil wird dann nicht mehr Spielberg, sondern Peter Jackson – voraussichtlich während seiner Arbeit an "The Hobbit" – drehen und fertig stellen (lassen). Zwar wurden Hergés weltweit gelesene und bereits 1929 erstmals veröffentlichte Abenteuergeschichten schon mehrfach in bewegte Bilder umgesetzt, aber sowohl die wenig bekannten Realfilme als auch die unterschiedlichen Zeichentrickversionen des Stoffes konnte man trotz ihres Charmes oder ihrer Beliebtheit bei Fans kaum als adäquate Verfilmungen der Vorlage bezeichnen.

Erst als Spielberg vor mittlerweile 30 Jahren von europäischen Filmkritikern auf die Verwandtschaft seines ersten Indiana-Jones-Films mit den rätselhaften Schatzsuchen der "Tim und Struppi"-Bände hingewiesen wurde, soll er die Comics kennen und lieben gelernt haben. Auf angeblich ausdrücklichen Wunsch Hergés übertrug man ihm nach dessen Tod die Filmrechte, doch eine anspruchsvolle Kinoadaption sollte auf sich warten lassen. Gerüchten zufolge plante Spielberg zwischenzeitlich eine Realfilmversion mit der androgynen Gwyneth Paltrow als Tim (?!), die jüngere (und nach wie vor zwiespältige) Motion-Capture-Technik jedoch inspirierte ihn nun zur Umsetzung des Stoffes als 3D-CGI-Animations- abenteuer.

Die Bände "Das Geheimnis der Einhorn" und "Der Schatz Rackhams des Roten" bilden die Grundlage des ersten Films, aber auch Elemente aus "Die Krabbe mit den goldenen Scheren" wurden vom Autorenteam in die Handlung eingeflochten. Tim (Jamie Bell) stößt darin auf ein altes Schiffsmodell, in dem sich Hinweise auf einen geheimnisvollen Schatz verbergen. Hinter diesem ist allerdings auch der skrupellose Sakharin (Daniel Craig) her, gegen den sich Tim, sein loyaler Hund Struppi und der stets volltrunkene Kapitän Haddock (Andy Serkis, der bisher womöglich einzige Performance-Capture-Star) auf alle erdenklichen Arten zur Wehr setzen müssen.

Der gelegentlich ein wenig höhepunktlose Einhorn-Zweiteiler erweist sich nicht unbedingt als idealer Einstieg für eine neue Tintin-Kinofilmserie. Zweifellos gehört Haddock (wie später auch Professor Bienlein) zu den beliebtesten Figuren und eigentlichen Stars der Comicserie, für einen ersten Film hätten sich Spielberg und Jackson jedoch vielleicht besser auf die ersten Bände konzentrieren sollen, um Tim und Struppi zunächst allein auf Abenteuerreise schicken und sie damit einem neuen Publikum vorstellen zu können. Gerade das umwerfend schöne erste Drittel des Films zeigt, dass man sich die Einführung weiterer fester Hauptfiguren und ein besonders großes Abenteuer auch bis zum zweiten Teil hätte aufsparen können.

Denn die ersten Minuten warten nicht nur mit einer sensationellen Titelsequenz, zahlreichen Anspielungen und Hinweisen auf die Vorlage und einem Quasi-Cameo von Hergé auf, sondern führen mit heimeligen Schauplätzen und ulkigen Sidekicks wie Schulze und Schultze (Simon Pegg und Nick Frost) geradezu wundersam in die Welt von Tim und Struppi ein. Die Detailverliebtheit in der Animation ist beeindruckend, und bei der Darstellung des Helden bleibt Spielberg den Comics erstaunlich treu: Tim ist ein Junge ohne Eigenschaften und Hintergrund, er wird erst durch sein Umfeld und bestimmte Handlungen annähernd charakterisiert.

Zur gewohnten Höchstform läuft Spielberg wieder einmal dann auf, wenn er Actionszenen geradezu kunstvoll arrangiert und durchspielt. In seinen Verfolgungsjagden und Duellen stecken mehr Ideen und Kniffe, als in jedem anderen computeranimierten Film, die teils sogar in digitale Plansequenzen gehüllten Actionstücke sind nichts außer beeindruckend – und dabei stets übersichtlich, nachvollziehbar und mitreißend choreographiert (in zudem sehr plastischem 3D). Das ist nicht selbstverständlich für einen klassischen Handwerker wie Spielberg, der bisher nicht nur völlig ungeübt war im digitalen Schnitt, sondern mit "Die Abenteuer von Tim und Struppi" schließlich überhaupt das allererste Mal einen vollständigen Trickfilm inszeniert.


60% - (vollständige Version) erschienen bei: gamona

Oktober 13, 2011

Kino: ABDUCTION

Längst überfällig war sie, die erste Hauptrolle des "Twilight"- Schnuckelchens Taylor Lautner (Team Jacob). Immerhin haben sich seine dortigen Co-Stars außerhalb des Mormonen-Franchises schon mehrfach angestellt, auch im allgemeinen Kinogeschehen mitmischen zu können – Robert Pattinsons Liebesdrama mit den Elefanten lief allerdings unter Erwartung, Kristen Stewarts Nicht-Bella-Filme wollte dann sogar gleich niemand schauen. Fraglich gewiss, ob es Lautner mit seinem maßgeschneiderten Leading-Man-Debüt anders ergehen wird.

"Atemlos – Gefährliche Wahrheit" (so übersetzt man also "Abduction", zu Deutsch: Menschenraub) ist komplett auf den 19-jährigen "Hottie" (O-Ton Presseheft) zugeschnittene Teenie-Action als Lightversion der Bourne-Abenteuer, für schmachtende Fangirls gleichermaßen konzipiert wie für Genre-Softies. Ein hauchdünner Ein-Satz-Plot aus belanglosem McGuffin und banaler Identitätssuche sowie willkürliche Actionszenchen klammern eine im Wesentlichen um Lautners Gesichtsbabyspeck und fleißig antrainierten Sixpack heruminszenierte Körpershow für Pubertierende.

Das ist immerhin aufrichtig, aber noch lange nicht gut. Man kann ein Zielpublikum auch bedienen, ohne gleich auf dessen Schößchen springen und kräftig rumrattern zu müssen. Schon in den ersten Minuten gerät der Film über sich selbst ins Sabbern. Lautner soll offenbar geradewegs seinen Mann stehen (sind die Schwulengerüchte etwa auch zu den Produzenten vorgedrungen?), und deshalb müssen zunächst einmal seine Fähigkeiten exponiert werden. Er setzt sich auf die Motorhaube eines mit Vollgas über die Landstraße düsenden Autos, suhlt sich mit Klassenrivalen im Schlamm oder brummt mit dem Motorbike über den Schulhof. Hot!

Daheim gibt’s noch Nachhilfe im Kickboxen vom Papa (Jason Isaacs, auch bekannt als Lucius Malfoy), und auch Mama Hottie (Maria Bello, die Ärmste) kann ihrem permanent oberkörperfrei oder wahlweise auch lediglich in Unterbüchsen herumlaufenden Sohnemann da nur noch zärtlich über den Kopf wuscheln: Hach, "My boys!". In der ersten halben Stunde von "Abduction" ist die Kamera praktisch festgeklebt an Lautners sexy Akrobatik, es kann gar nicht genug Close-ups geben vom Unterlippen kauenden Sonnyboy und seinen athletischen Geschicken (die natürlich nichtsdestotrotz recht beschränkt bleiben).

Nach der großzügig einfältigen Leistungsdemo beginnt der Film dann kurzzeitig Spaß zu machen. Lautner entdeckt auf einer Website für vermisste Kinder ein Foto von sich, im nächsten Moment bereits sind ihm sowohl CIA (in Form von Alfred Molina) als auch dubiose Profikiller (allen voran Michael Nyqvist, bekannt aus der Millennium-Trilogie) auf den Fersen. Mama und Papa Hottie entpuppen sich als Pflegeeltern und werden sogleich eliminiert, einzig seine Schulflamme (kennt man nicht) und eine zuvor in seinem Leben als Therapeutin getarnte CIA-Mitarbeiterin (Sigourney Weaver!) stehen dem plötzlich identitätslosen Teenie bei.

Kurzzeitig Spaß also deshalb, weil hier gleich eine ganze Garde gern gesehener Filmlieblinge zusammenkommt, die den vorhersehbaren Brei zumindest zeitweilig anschaubar macht. Selbst noch in die zweite oder sogar dritte Reihe verdrängt, muss man für Molina oder Weaver dankbar sein, die ja nicht zuletzt eben wegen weitgehend talentfreier Jungsternchen wie Lautner und dem allgemeinen Jugendwahn Hollywoods im US-Mainstream kaum mehr eine (Haupt-)Rolle spielen dürfen. Dass die Größen hier konsequent verheizt werden, ist natürlich klar, ihre Anwesenheit möchte man dennoch nicht missen.

Hinter dieser Besetzung steckt ja auch selbstredend konzeptionelles Geschick: Durch Lautners Muckis und Teenie-Face dringt zu keiner Sekunde auch nur ein Hauch von schauspielerischer Fähigkeit, und nicht einmal für halbwegs originelle Actionszenen hat es im 35-Millionen-Dollar-Budget gereicht. Da kann auch ein mehr oder weniger routinierter Auftragsfilmer wie John Singleton ("2 Fast 2 Furious") nichts ausrichten, außer sich den Gesetzmäßigkeiten des One-Star-Vehikels zu beugen: möglichst viel Gutes daneben stellen, damit das Schlechte im Mittelpunkt vielleicht auch irgendwie ein bisschen gut sein möge.


30% - (komplette Version) erschienen bei: gamona

Oktober 09, 2011

David Hess

  † 69

Oktober 03, 2011

Zuletzt gesehen: MELANCHOLIA

Majestätisch setzt Lars von Trier ("I'm a Nazi.") in den ersten Minuten des Films gemäldehafte Bilder zu musikalischem Pomp (Wagner) in Szene, die wie formschöne Photoshop-Stills daherkommen, und nicht halb so eindrucksvoll wirken, wie sie es vermutlich gern würden. Was folgt, ist eine an der eigenen "Dogma"-Ästhetik geschulte, mit blümeranten Stilisierungen verfeinerte und an Thomas Vinterbergs "Festen" erinnernde Familienkrisengeschichte in wirrem Kameragezuppel und reduzierten Lichtquellen, gebrochenen Blickachsen und ständig wechselnden Brennweiten. Während der zweiten Hälfte dann trüben subtile Spezialeffekte und beeindruckende, dem Titel gerecht werdende, Bilder opulenter Melancholie den (ohnehin mit Vorsicht zu genießenden) Eindruck formaler Strenge, derweilen sich die Figuren immer mehr in einen abgründigen Strudel aus Lethargie, Tristesse und Lebensmüdigkeit bewegen – "Melancholia" ist, ähnlich wie "Antichrist", ein weiterer Schritt von Triers hin zu noch mehr Stil des Stils wegen. Diesmal habe ihn keine Depression inspiriert und angetrieben, ließ der Filmemacher mehrfach verkünden, und deshalb sei dies auch ein weniger schwermütiger, sondern eher ein schöner Film. Man soll ja keinem Menschen etwas Schlechtes wünschen, aber je besser es Herrn von Trier zu gehen scheint, desto profaner sehen seine Filme aus. "Melancholia" hat mich jedenfalls weitgehend unberührt zurückgelassen.


40%

Zuletzt gesehen: FILME IM SEPTEMBER 2011


Blue Valentine
(USA 2010, Derek Cianfrance) (4/10)

Sick Girl
(USA 2005, Lucky McGee) (5/10)

Film socialisme
(F/CH 2010, Jean-Luc Godard) (6/10)

Road to Nowhere
(USA 2010, Monte Hellman) (2/10)

The Hole
(USA 2010, Joe Dante) (3/10)

The Texas Chain Saw Massacre
(USA 1974, Tobe Hooper) (9/10)

The Ward
(USA 2010, John Carpenter) (4/10)

Fright Night
(USA/GB 2011, Craig Gillespie) (3/10)

Hwanghae [The Yellow Sea]
(ROK 2010, Na Hong-jin) (6/10)

Restless
(USA 2011, Gus Van Sant) (7/10)

Heimatlos
(D 1958, Herbert B. Fredersdorf) (2/10)

Bridesmaids
(USA 2011, Paul Feig) (6/10)

Urban Explorer
(D 2011, Andy Fetscher) (2/10)

Abduction
(USA 2011, John Singleton) (3/10)

Melancholia
(DK, F, I, D, S 2011, Lars von Trier) (4/10)