Februar 27, 2010

Zuletzt gesehen: FILME IM FEBRUAR 2010

Künftig werde ich am Ende eines jeden Monats die Filme auflisten, die ich im Kino oder auf DVD gesehen habe. Neu- und Wiedersichtungen inklusive. Titel, die hier bereits besprochen wurden oder in Kürze werden, fallen raus.


Fracture

(USA 2007, Gregory Hoblit) (5/10)

The Last Station

(D 2009, Michael Hoffman) (3/10)

Star Trek

(USA 2009, J.J. Abrams) (7/10)

Star Trek: Generations

(USA 1994, David Carson) (3/10)

Star Trek: Insurrection
(USA 1998, Jonathan Frakes) (4/10)

Star Trek: Nemesis

(USA 2002, Stuart Baird) (5/10)

Heavenly Creatures

(NZ 1994, Peter Jackson) (6/10)

Isolation

(GB/IRL 2005, Billy O'Brien) (1/10)

Swimming Pool
(F 2003, François Ozon) (8/10)

Up in the Air

(USA 2009, Jason Reitman) (5/10)

A Single Man

(USA 2009, Tom Ford) (7/10)

Stay

(USA 2005, Marc Forster)
(4/10)

Desperate Measures

(USA 1998, Barbet Schroeder) (3/10)

Blade Runner

(USA 1982, Ridley Scott) (10/10)

Nine

(USA 2009, Rob Marshall) (6/10)

Changeling

(USA 2008, Clint Eastwood) (7/10)

El Orfanato

(MEX/ S 2007, Juan Antonio Bayona) (7/10)

The Goonies

(USA 1985, Richard Donner) (8/10)

From Paris with Love

(F 2010, Pierre Morel) (3/10)

My Bloody Valentine

(CAN 1981, George Mihalka) (7/10)

Child’s Play 2

(USA 1990, John Lafia) (7/10)

Julie & Julia

(USA 2009, Nora Ephron) (4/10)

Mutants
(F 2009, David Morlet) (2/10)

Fright Night

(USA 1985, Tom Holland) (4/10)

The Witches

(UK 1990, Nicolas Roeg) (7/10)

9
[Short]
(USA 2005, Shane Acker) (6/10)

Edge of Darkness

(USA 2010, Martin Campbell) (4/10)

Cape Fear

(USA 1991, Martin Scorsese) (8/10)

Alice in Wonderland
[Short]
(GB 1903, Cecil M. Hepworth, Percy Stow) (5/10)

Alice in Wonderland

(USA 1951, Clyde Geronimi, Wilfred Jackson, Hamilton Luske) (6/10)

Dogma
(USA 1999, Kevin Smith) (3/10)


Februar 26, 2010

Kino: THE BAD LIEUTENANT

Die Ankündigung war kurios genug: Ein Remake des Abel-Ferrara-Films "Bad Lieutenant" von Werner Herzog mit Nicolas Cage und Eva Mendes in den Hauptrollen. So kurios eigentlich, dass man dahinter nur ein ausgeklügeltes Marketing- und letztlich auch Autorenfilmkonzept vermuten musste. Natürlich ist Herzogs jüngste Regiearbeit eine entsprechend komische Cop-Thriller-Variation, die sich im ausgeprägten Bewusstsein ihrer absurden, trashigen und sanft subversiven Qualitäten durch Genre- und Hollywood- klischees tänzelt, einer eigenen Logik folgt und der Frage nach Ernsthaftigkeit dabei stets elegant ausweicht. In "Bad Lieutenant: Port of Call New Orleans" (!) inszeniert Herzog edgy und unbekümmert aus reiner Intuition an nahezu allem vorbei, was innerhalb des Genres oder der vagen Vorlage von Relevanz wäre. Es ist ein ausnahmslos köstlicher Film.

Worum es hier inhaltlich geht ist absolut irrelevant, die Geschichte ist fad, löchrig und unglaubwürdig, sie entspricht außerdem grob dem konventionellen Verlauf konventioneller Thriller. Und so hangelt sich Nicolas Cage als ‚Cop ohne Gewissen’ durch einen wirren detektivischen Korruptions- dschungel, an dem Herzog keinerlei Interesse bekundet. Statt stringent, schlüssig und spannungsorientiert zu erzählen, kümmert sich der Regisseur mehr um die Ausgestaltung eines bestimmten Vibes, einer – natürlich – spirituellen Energie, die er in New Orleans verortet sieht. Wenn ihm der kriminalistische Plot seines eigenen Films also selbst zu langweilig, bunt oder konfus erscheint, filmt er ein handlungsrelevantes Ermittlungsgespräch im Büro beispielsweise aus der verzerrten Untersicht zweier Leguane, und auch durch die Schnauze eines riesigen Alligators beobachtet Herzog das Geschehen einmal. Das ist in seinem völligen Verzicht auf die Konventionen eines solchen Films zumeist urkomisch und unbedingt konsequent, immerhin folgt "Bad Lieutenant" einem ständig zugekoksten Titelantihelden – in jeder Beziehung komplett off.

So etwas ist weniger als Remake oder Neuinterpretation zu fassen, wenn überhaupt, dann hat Herzog eine Art Fortsetzung, Ergänzung oder augenzwinkernden Nachzügler geschaffen. Am Ehesten funktioniert der Film in solch einem Rahmen noch als sinnstiftender Beleg für den unnützen Zweck eines Remakes, als Verballhornung des Irrtums, ein Film müsse noch einmal aufgelegt oder modernisiert werden. Dem ist nur mit überlegener Ironie entgegen zu halten, und vermutlich hat Herzog deshalb die schnarchige Eva Mendes, die in Dutzenden solcher Filme die ewig passive und letztlich schlimmster Misogynie entsprungene Möchtegern-Femme-Fatale geben musste, und den mittlerweile auf A-Trash-, diversen Adaptionen und Rip-Offs abonnierten Nicolas Cage besetzt. In den Standardrollen ihres beschränkten Œuvres werden sie nun gegen den Strich gebürstet, ob in- oder außerhalb des gewitzten Herzog-Konzepts bleibt allerdings offen. Gut vorstellbar, dass Cage womöglich tatsächlich mit aller Mühe einen abgehalfterten Polizisten, statt völlig losgelöst gegen seine Rollenklischees anspielt. Es ist seine beste Performance seit Jahren.

Ob Herzog ihn mit seiner changierenden Darstellung, die in nahezu jeder Szene den Ton wechselt, nun zum neuen Kinski hochstilisieren oder ihn als dessen Parodie anzulegen versucht – es ist genauso ein Rätsel wie die anzunehmende Metaebene des Films. Dass das alles ein vergnügliches Späßchen ist, dafür spricht sicher schon die verdächtig inszeniert erscheinende Debatte im Vorfeld: Ferrara schimpfte böse über die Ankündigung eines "Bad Lieutenant"-Remakes, woraufhin Herzog beteuerte, weder ihn, noch seinen Originalfilm gesehen zu haben. Alles eine große Koketterie. Wahrscheinlich. So lange dieser Film jedoch als Komödie funktioniert, mag das alles nur verzichtbare Spekulation sein: Werner Herzogs "Bad Lieutenant" ist dieser Tage der schönste Ulkfilm aus Hollywood.


80% - erschienen bei den: 5 FILMFREUNDEN

Februar 24, 2010

Kino: 9

Neun kleine Stoffpuppen kämpfen auf der menschenleeren Erde gegen eine Übermacht der Maschinen. Düster, bedrohlich und vor allem actionreich erzählt Shane Ackers "9" eine computeranimierte Schöpfungsgeschichte: In einer post- apokalyptischen Welt aus Schmutz und Metallresten begründen die kleinen durchnummerierten Geschöpfe eines verstorbenen Wissenschaftlers die Grundlage für neues Leben. Ein unkonventioneller, schöner, melancholischer Animationsfilm, der es Dank seiner Produzenten Tim Burton und Timur Bekmambetov ("Wanted") auf die große Leinwand geschafft hat.

Die Welt scheint nur noch eine einzige Ruine. Staubwolken tummeln sich in der Luft, rostige Schrotthaufen ragen bis zum Himmel, von Leben gibt es weit und breit keine Spur. Inmitten dieser dystopischen Öde erwacht der kleine 9, eine fragile Stoffpuppe. Verwirrt stolpert er umher, als er unerwartet Bekanntschaft mit Nummer 7 macht. Ehe sich 9 versieht, lernt er seine Kollegen 1-8 kennen, trifft auf das gigantische Metallmonster "Beast" und muss bald einige gefahrenvolle Missionen auf sich nehmen, um übermächtige Maschinen zu bekämpfen und schließlich das Erbe seines Erschaffers zu wahren.

In Ansätzen hat Regisseur Shane Acker diese Geschichte vor fünf Jahren schon einmal erzählt. Im gleichnamigen 10minütigen Animationsfilm kämpft 9 gegen ein bewegliches Schrottmonstrum, um die Seelen seiner Freunde zu befreien. In wenigen Minuten gelang es Acker, ganz unvermittelt, eine kleine futuristische Endzeitfantasie zu spinnen, die dem Zuschauer ebenso verwirrend wie faszinierend einen Ausschnitt aus dem Leben einer kleinen Stoffpuppe zeigte. Nachdem der Kurzfilm 2006 für den Oscar nominiert wurde, durfte Acker seine Idee mit prominenter Unterstützung nun noch einmal als großen kleinen Kinofilm ausbauen.

"9" war bereits in Kurzfilmform mit zahlreichen Anspielungen gespickt. Die Pixar-Lampe Luxo Jr. tauchte ebenso auf wie der Verweis auf bekannte Science-Fiction-Filme. Acker hat seine Kombination aus den kindgerechten Animationsmotiven unschuldig wirkender, niedlicher Stoffpuppen und den gewalttätigen Endzeitbildern eines "Matrix" oder "Krieg der Welten" für die Kinofassung entsprechend zugespitzt: Die kleinen Helden des Films müssen sich permanent gegen die verselbständigten Maschinen eines von künstlicher Intelligenz geführten Systems zur Wehr setzen, das ihnen und damit dem Film keine Ruhe gönnt.

Der Run-and-Hide-Charakter des ungewöhnlich actionreichen und mit 80 Minuten Spielzeit ohnehin recht kurzweiligen "9" ist selbst für ein erwachsenes Publikum mitunter eine Belastungsprobe. Wie in der Kurzfilmvorlage verzichtet Acker auf eine erklärende Exposition und füttert den Plot erst nach und nach mit spärlichen Informationen zum Auslöser der Apokalypse. Das ist vor allem in seiner Humorlosigkeit mutig und im immer noch kindlich besetzten amerikanischen Animationsfilm eine willkommene Ausnahme, aber es erklärt auch, wieso "9" ein PG-13-Rating erhielt und bei Publikum und Kritik in den USA durchgefallen ist.

Dabei hat Acker eines der noch am wenigsten Mainstream-Konventionen entsprechenden Details seines Kurzfilms für die Kinoadaption aufgegeben, im Gegensatz zur Vorlage verzichtet er hier nicht auf Dialoge. Das ist, wie schon in den letzten beiden Dritteln von Pixars Sci-Fi-Genrebeitrag "Wall-E", insofern schade, als es einen besonderen Reiz für die Untermalung der kommunikationslosen, verwilderten Endzeitwelt geboten hätte, würden sich die lebendigen Stoffpuppen wortlos verständigen müssen. Das hätte mit Sicherheit eine weitere Herausforderung, wenn nicht gar Zumutung für die Sehgewohnheiten eines Animations- filmpublikums bedeutet, aber eben auch eine besondere Note, um den ohnehin tristen, verstörenden Charakter des Films zu unterstreichen.

Immerhin jedoch, und hier bildeten sich einige Missverständnisse bei der Kritik, entsprechen die einfachen, präzisen und mitunter banalen Dialoge logischerweise den beschränkten Ausdrucksformen simpler Stofflappen auf zwei Beinen. Am Wirkungsvollsten erweckt Acker seine Figuren ohnehin mit mimischen und gestischen Bewegungen zum Leben: In den wenigen stillen Momenten seines Films wird der Einfluss Tim Burtons deutlich, wenn sich die letztlich kuriosen Gestalten in ihrer artifiziellen Andersartigkeit liebevoll umeinander kümmern. "9" pflegt nicht zufällig eine ästhetische und emotionale Verwandtschaft mit "Nightmare Before Christmas" oder "The World of Stainboy" – Burton mag hier, wie einst bei Henry Selick, einen Gleichgesinnten gefunden haben.

Tiefsinnig ist der Film bei alledem selten, und seine schlüssige, aber auch allzu simple Actiondramaturgie lässt wenig Raum für Existenzialismus oder die Widersprüchlichkeit eines Zukunftskonflikts der Künstlichkeiten. Dennoch ist "9" nicht zuletzt wegen seiner glasklaren, beeindruckend ausgeleuchteten und expressionistischen Computeranimation, der man das verhältnismäßig geringe Budget von 30 Millionen Dollarn nur selten ansieht, ein faszinierend beklemmender, geradezu dadaistischer Film. So möge Shane Acker der kommerzielle Misserfolg bitte nicht davon abhalten weitere Filme zu drehen.


65% - erschienen bei: gamona

Februar 17, 2010

Kino: THE LOVELY BONES

Nirgends ist es so schön wie – im Himmel. Dort segeln gigantische Flaschenschiffe über meterhohe Wellen, verwandeln sich malerische Kornfelder in wallende Seen und lässt es sich auf munter umher fliegenden Luftbällen nach Lust und Laune gut gehen. Bei all dem Spaß, den die 14jährige Susie in diesem Film zwischen Himmel und Erde via Vorstellungskraft generiert, bleibt die Frage zweitrangig, warum Regisseur Peter Jackson uns den Tod als Paradies erklären oder überhaupt zwei Stunden mit klebrigen Digitalwelten unterhalten möchte. Denn: Was auch immer er sich beim Schreiben und Drehen eingeworfen haben sollte – "In meinem Himmel" ist das rare Beispiel eines Films, bei dem ganz und gar nichts stimmt.

An welchem Punkt nun hat es der selbsternannte Erzähler Jackson eigentlich verlernt, seine ganze Energie nicht nur ans große teure Spektakel zu verschwenden, sondern auch starke Charaktere in kraftvollen Geschichten zum Leben zu erwecken? Sollte dem neuseeländischen Regisseur tatsächlich durch seine einrucksvoll auf die große Leinwand adaptierte "Herr der Ringe"-Trilogie der Blick fürs Wesentliche verloren gegangen sein? Oder ist "In meinem Himmel" schlicht nur zufällig als böser Ausrutscher und vorläufiger Tiefpunkt in Jacksons Karriere zu begreifen?

Es ist, ganz zunächst einmal, ein Film über ein ermordetes Mädchen. Das wandelt kurz vor ihrer Erlösung schon nach wenigen Filmminuten leidvoll durch ein farbenprächtiges Zwischenreich, von dem aus es verzweifelt Kontakt zu ihren (leider) noch lebendigen Liebsten aufzunehmen versucht. Obwohl das freilich nie gelingen mag, lässt Jackson die verschiedene Susie dennoch die gesamte Handlung per Voice-over moderieren: Mal sehen wir sie gackernd mit anderen toten Mädchen herumalbern, mal wehleidig in ständigen Close-Ups grundlos erstarren. In jedem Fall trägt ihre großzügige Screentime zum eigentlichen Plot schon einmal sage und schreibe nichts bei.

Dieser dümpelt nicht in träumerischen LSD-Gefilden vor sich hin, sondern ist bemüht darum, das elterliche Drama des Kindverlusts in einem 70er-Jahre-Setup mit einer kriminalistischen Thriller-Dramaturgie zu vereinbaren. Die Handlung von "In meinem Himmel" also lässt sich wie folgt zusammenfassen: Ein um die verschwundene Tochter trauerndes Ehepaar (Mark Wahlberg & Rachel Weisz) versucht den zwei Türen weiter wohnenden Kindermörder (Stanley Tucci) ausfindig zu machen, während das tote Mädchen (Saoirse Ronan) im Jenseits – mal lachend, mal weinend – einen Vollrausch nach dem anderen durchlebt.

Das ist, in wahrlich jeder Hinsicht, eine große Belastungsprobe für den Zuschauer. Jackson sind subtile Töne, feine Nuancen und dezente Regieeinfälle – sofern er sie jemals beherrscht haben sollte – unwiederbringlich abhanden gekommen. Seine Interpretation eines schrecklichen Sexualmordes und dessen tragischer Verarbeitung gerinnt zur grotesk überinszenierten CGI-Seifenoper. In permanenten Schwenks, Zooms, Zeitlupen- und Freeze-Effekten gibt er dem Zuschauer einen aufdringlichen emotionalen Leitfaden durch seine Geschichte, Groschenheft-taugliche Kitschbilder wechseln sich mit geschmacklosen, absurd überzeichneten Klischeevorstellungen ab.

So ist der von Stanley Tucci (kurioserweise oscarnominiert) bemüht gespielte Kindermörder nicht weniger als die groteske Kinoreinkarnation eines Serienkillerstereotyps auf zwei Beinen, das "Psychopath" auf die Stirn geschrieben und dennoch ganz der unauffällige Nachbar von nebenan. Als Mark Wahlberg – selten so unglaubwürdig und verkrampft wie in der Rolle eines verzweifelten Familienvaters – ihm dann schließlich aus heiterem Himmel (sprichwörtlich) auf die Schliche kommt, fällt dem Film dafür bezeichnenderweise kein triftigerer Grund als eine quasi jenseitige Intervention seiner verstorbenen Tochter ein.

Der Titel gebende Himmel (bzw. das Zwischenreich, in dem sich Susie aufhält) fungiert dabei als roter Faden durch eine alle Genres abgrasende Handlungsstruktur, die nur über ihren Hang zum Süßlichen eine konsistente Form zu finden glaubt. Die Bilder von bunten Schmetterlingen und anderer pastellfarbener Infantilität spiegeln allerdings weniger das Seelenleben eines 14jährigen Mädchens, als sie die banale Vorstellungskraft eines Kleinkindes abbilden. Richtig bekloppt wird es aber erst, wenn Susie sich im Nimmerland von anderen Opfern des Mörders erklären lässt, dass man nicht zurück-, sondern nach vorn blicken müsse: "Of course it’s beautiful, it’s heeeeeeaven!".

Alles in diesem Film klotzt und kleckert. Es ist ein Manifest an plakativen erzählerischen und visuellen Effekten. Was in der Vorlage vermutlich als stilles meditatives Drama über die beklemmende Verarbeitung eines Todes oder den schmerzhaften Abschiedsprozess funktioniert, wird bei Jackson zur lautstarken Pixel-Melange aus schwelgerischer Fantasy und reißerischem Thriller aufgeblasen. Akzente setzt der Film keine, er schwankt unentschlossen zwischen Erzählabsichten und verfängt sich doch nur wieder in der Green-Screen-Endlosschleife. Über die Message, dass es sich tot womöglich besser lebt, mag man angesichts dieses gigantischen formalen Kauderwelschs gar nicht erst nachdenken.

"In meinem Himmel" ist schlicht das komplett missglückte Gegenstück zu Jacksons eigenem "Heavenly Creatures". Die Erschaffung einer eskapistischen Traumwelt zweier Mädchen entwarf er da noch schlüssig und weitgehend zurückhaltend als Fluchtpunkt innerhalb eines ebenso tragischen wie grausamen Kriminalfalls. Nunmehr scheint seine Filmsprache indes von megalomanischem Kitsch regiert, dem Erzählung und Figuren hoffnungslos aufgeliefert sind. Der brutale Tod eines 14jährigen Mädchens auf der Leinwand geht nicht automatisch unter die Haut, an die Nieren oder aufs Gemüt, nur weil der Film das Bild unentwegt mit Gefühlsduseleien zukleistert. Irgendwann sieht man hier nichts mehr und will es auch gar nicht mehr sehen – Peter Jacksons Himmel ist die reine Hölle!


20% - erschienen bei: gamona

Februar 04, 2010

Kino: ZEITEN ÄNDERN DICH

Es ist nicht schwer einen zynischen, böswilligen, polemischen Text über einen so kuriosen Film wie "Zeiten ändern dich", der gleichermaßen das Anekdotenbuch des Rappers Bushido wie dessen privaten und künstlerischen Werdegang adaptiert, zu verfassen. Und es ist gewiss noch weniger schwer, dieses Geldmachunterfangen nicht ernst zu nehmen, an seinen etwaigen Ambitionen abgleichen und womöglich noch sorgfältig aufzeigen zu wollen, was ohnehin zu beweisen galt: Dass diese Komplettkatastrophe auf der Leinwand die Erwartungen noch unterbietet. Den leichten Weg hat sich der – und schon hier ergeben sich erste Probleme adäquater Wortfindung – Musiker hingegen redlich verdient, warum verbale Umwege bemühen für einen Medienkünstler, der sich so plump provokativ, durchschaubar und banal-direkt vermarktet wie Bushido. Kurz also: "Zeiten ändern dich" ist die größtmögliche erdenkliche Fremdscham auf Zelluloid, ein peinliches und offen gesagt erbärmliches Stilisieren von Mist, das seinen einzigen Mehrwert, wenn überhaupt, aus der unfreiwilligen Dekonstruktion seiner Titelfigur gewinnt.

Natürlich ist dieser Film zunächst einmal nur trashig, unglaublich trashig. Am Trashigsten immer dann, wenn er soziale Realität, Milieutreue und Berliner Gangstertum abzubilden glaubt. Nicht, dass Bushido alias Anis Mohamed Youssef Ferchichi nicht seine Erfahrungen mit so genannten No-go-Areas oder unsichtbaren Bereichen einer alltäglichen Ghettosubkultur gemacht haben mag. Aber das ist, mit Verlaub, ja erst einmal völlig uninteressant. Wen kümmert das durchschnittliche Leben eines unterdurchschnittlichen Rappers, der mit Halbsätzen und Möchtegernreimen mal auf ein Leben als Einzelkind, mal auf die Macht des Schwanzes verweist. Niemanden. Bushidos Leben lässt sich, anhand des Films, im Wesentlichen auf eine normale mittelständische Erziehung und einen anschließenden unverschämten Erfolg als Hip-Hop-Artist zusammenkürzen. Die üblichen Reibereien in sozialen urbanen Brennpunkten mit eingeschlossen. Das alles ist, nun wirklich, nicht allzu dramatisch, kein Grund, sich ellenlang in Texten über Ehre, Respekt, Schlampen (=Frauen) und Ficken, also das harte Leben, auslassen zu müssen.

Bushido fehlte ein Vater, okay. Akzeptiert. Ihm fehlte das Abitur. Verschmerzbar. Seine reiche Freundin ist ihm davon gelaufen. Verständlich! Und nun ist er Millionär. Und Filmstar. Und Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit. (blöd!) Ignoranz wäre eine Möglichkeit, würde Bushido das Leid eines Medienopfers nicht so gut zur Selbstinszenierung stehen. Deshalb muss man hinsehen und das Kind beim Namen nennen: Dir ging es nicht so schlecht, Junge. Und auch wenn es dir schlecht ergangen sein sollte, ist das kein Grund sich wie ein Rüpel zu benehmen. Und rüpelhaft darfst du ja gern sein, aber lass uns damit doch in Ruhe. Du bist langweilig. Und, entgegen anders lautender Gerüchte (gestreut von Kerner und der NDR-Talkshow, basierend auf dem Umstand, einige Sätze geradeaus sprechen zu können), auch dumm und ungebildet. Vielleicht nicht in Maßstäben von Verkauf, Erfolg und Marketing, aber hinsichtlich kollektiver Verblödung, Volksverhetzung und Rundum-Belästigung. Jawohl!

Aber zurück zum Trash, bevor Bushido noch als Phänomen begreiflich zu werden droht (er ist kein solches, Aufregung generiert lediglich Aufmerksamkeit). Zum Trash also. Und zur Fremdscham. Die ist Bernd Eichinger vorbehalten. Er hat ein ekelhaftes Drehbuch geschrieben, das sich szenisch im Leben Bushidos vorarbeitet, ohne biographische Zusammenhänge herzustellen, den musikalischen Werdegang schlüssig zu beleuchten oder authentische Situationen zu kreieren. In Dialogen, die bestenfalls zwischen totaler Belanglosigkeit oder einfältigen One-Linern jonglieren, meist aber unangenehm berührend den Slang und Jargon der "Straße" nachempfinden wollen. In Szenen, deren Gestelltheit und unglaubwürdiges Herantasten an ein ihm offenbar völlig fremdes Milieu noch das geringste Problem sind. In einer letztlich nur auf das gegenseitige Schulterklopfen mit einem, der es auch geschafft, der auch mit Scheiße Millionen verdient hat, ausgelegten Werbestrategie, am Hype eines (für ihn sicherlich faszinierenden) „Jugendphänomens“ (verdammt, doch ein Phänomen?) profitieren zu können. Eichinger hat Bushido diesen Film vor-, er hat dankend zugeschlagen. Mehr Kasse, mehr Dreck.

Es will nicht recht gelingen, das mit dem Trash. Also das mit Hannelore Elsner als Kim Basinger, die Bushidos Mutter spielen und dabei Sätze sagen darf wie "Das ist Karel Gott, der hat seinen Namen wirklich verdient, den haben wir früher so gern gehört". Oder mit Bushido, der sich im Fernsehen die einstürzenden Twin Tower des World Trade Centers anschaut und dabei laut denkt: "Das war das Krasseste, was ich je gesehen habe". Denn: Unfreiwillige Komik ist das eine – ein Film, der das Image eines homophoben, frauenfeindlichen, sexistischen Dummschwätzers mit Pseudotiefgang und Plattitüden im Dauertakt kommerziell glatt bügeln, greifbar und verständlich machen möchte das andere. Es geht bei alledem letztlich nur um noch mehr Geld. Für die Constantin und für Bushido. Und selbst wenn dieser sich, seine rebellische Attitüde, den auferlegten Habitus und schließlich auch die eigenen Fans schlussendlich vorführt und entwürdigt, indem er alles Fragwürdige aus dem Film streichen und sich mit Karel Gott zum beschwingten Duett auf die Bühne hat stellen lassen: Im Grunde meint der Kerl wahrscheinlich tatsächlich als Spiegel der Jugend und Straße auszusprechen, was die seinigen denken. Aber es sei hier mit diesem Film noch einmal versichert: Denken spielt im künstlerischen Schaffen Bushidos eine untergeordnete Rolle.


10% - erschienen bei den: 5 FILMFREUNDEN

Februar 02, 2010

News: ACADEMY AWARDS 2010 - Nominees

Da ich heute zwei Minuten vor Bekanntgabe der Oscar Nominees in den Bushido-Film musste (...), kann ich mich erst jetzt ganz in Ruhe den Nominierungen widmen. Keine großen Überraschungen (habe bis auf zwei Titel alle nominierten Filme schon gesehen und entsprechend spekuliert gehabt), aber duchaus kleinere: District 9, Maggie Gyllenhaal und Jeremy Renner zum Beispiel. Komisch, dass "Avatar" nicht auch wie "Up" als Bester Animationsfilm nominiert wurde. Auf jeden Fall steht eine schöne Verleihung an, im Gegensatz zum letzten Jahr mochte ich dieses Mal überwiegend viele der nominierten Filme. Ganz sicher (und verdient) dürften wohl bereits die Oscars für Bridges, Mo'Nique und Waltz sein.

Alle Nominierten hier. Die Live-Verkündung auf ABC kann man hier noch mal schauen.