Januar 30, 2010

Kino: SHERLOCK HOLMES

In Filmen von Guy Ritchie geh es meist ums Wesentliche. Um markige Typen, kernige Männerallüren und heftige Fausthiebe, um skurrile Marotten, absurde Situationen und schrullige Zufälle. Das Ritchie-Kino ist ein Jungs-Kino, das von männlichen Irrtümern und deren Vereinbahrung (oder bestenfalls Versöhnung) mit Geschlechterklischees träumt, das Naivlinge zu Männern reifen und intellektuellen Ballast weit hinter sich lässt.

Wie schön also, dass der Ex-Stecher von Madonna sich nun mit großem Budget an Arthur Conan Doyles legendärer Figur Sherlock Holmes zu schaffen macht, der es als meistverfilmte literarische Persönlichkeit nur noch an einer Blockbuster-Testosteronvariation mangelte – Dank dieser neuerlichen Verwurstung des hochbegabten Meisterdetektivs ist das Holmes-Œuvre aber gewiss um einige verzichtbare Banalitäten reicher.

In "Sherlock Holmes" geht es, worum es in allen Ritchie-Filmen geht: Um lustige Späße mit lustigen Kerlen. Dieses Mal in einem vergangenen Jahrhundert, aber immer noch in England und immer noch mit viel unverständlichem Gebrabbel. Der Film pflegt, selbstverständlich und erwartungsgemäß und auch leider, mit der eigentlichen Holmes-Figur nur noch eine Namensverwandtschaft, die eigentlichen Wesenszüge des analytischen Ermittlersnobs, der, wenn ihm die Kultiviertheit zu Kopfe zu steigen droht, gern zur Geige greift, werden massenkompatibel und drastisch reduziert. Auf, natürlich, ordentlich Gekloppe (Ritchie ist ein verlässlicher Regisseur), und dem Nachstehlen einer schönen Frau (die ihm in der Vorlage nicht einmal ein müdes Lächeln entlockt hätte). Holmes, der Womanizer.

Ausgerechnet der nun hat sich zurückgezogen in sein stilles Kämmerlein, ist aufgedunsen und süffig, nicht mehr bereit seinen ermittlerischen Dienst zu leisten. Dr. John Watson gelingt es schließlich seinen treuen Kumpanen zu reaktivieren, damit dem tot geglaubten Magier Lord Blackwood endgültig das Handwerk gelegt werden kann. Dabei lässt Holmes dann meist die Fäuste sprechen, sein – trotz Dauerverwahrlosung!? – mächtig durchtrainierter Körper hat mehr Wirkung als jeglicher Spürsinn:

So interpretiert Ritchie den erhabenen Analytikergeist seiner Holmes-Figur in erster Linie als physische Slow-Motion-Taktik, bei der im Voraus berechnet wird, wo und wann dem Gegner nun welche Weichteile zertrümmert werden. Das ist nicht nur meilenweit entfernt von Doyle, das ist nicht einmal mehr dasselbe Universum. Ritchie hat aus Holmes, das ist legitim, einen Comichelden gezimmert, und, das ist weniger legitim, einen postmodern-abgedroschen coolen noch dazu.

Mal angenommen also, "Sherlock Holmes" habe mit Sherlock Holmes nichts zu tun, so bliebe vielleicht zumindest ein sehenswerter Blockbuster über. Zugegeben, zwei bis drei hübsche Actioneinlagen bekommt Ritchie in seiner hohle Geschichte integriert, von einer gewissen Oberfläche aus betrachtet machen auch die launigen Buddy-Elemente was her – freilich ohne den Hauch von Mut, hierin etwas Homoerotisches vermuten zu wollen.

Doch spätestens beim großen Green-Screen-Finale verpufft der Unterhaltungswert dieser verschenkten Popcornadaption glorreich zum pseudofolkloristischen Gedudel Hans Zimmers, während die Ankündigung eines bekannten Holmes-Gegenspielers schon fleißig mit einer Fortsetzung droht.


40% - erschienen bei den: 5 FILMFREUNDEN

Januar 20, 2010

Kino: A SERIOUS MAN

Mit jedem neuen Film bestätigt sich in der Regel meine Kritik am Œuvre der Brüder Joel und Ethan Coen, an deren immer wieder erstaunlichen Kenntnis darüber, wie Film und Filme funktionieren, und wie zwei so begabte Handwerker ihr Talent lediglich für ein selbstgefälliges Demonstrieren ebendieser Kenntnis bemühen. Die Filme der Coens, bei aller Raffinesse, kranken zu einem großen Teil am steten Ausstellen studierter Filmgeschichte und dramaturgischer Tricks, ohne dass sie ihre skurrilen, aberwitzigen, detaillierten Figuren für mehr als nur den immer wiederkehrenden Witz über sich selbst nutzen – ein Film der Gebrüder Coen darf nie Gefahr laufen, allzu ernst genommen zu werden. Und trotz der enormen Kino- Versiertheit der Regisseure, der zweifellos hervorragenden Filmemacher, ist es doch stets nur ein ganz bestimmtes Kino, das sie ehren, plündern, bedienen: Ein nerdiger Eintopf, der nie über den Tellerrand schwappt.

Doch die Coens haben ihre Kino- jetzt um eine Weltsicht ergänzt. Endlich.
"A Serious Man" ist nicht nur ein persönlicher Coen-Film, der erste vermutlich, der persönlichste gleich obendrein, es ist auch ein zurückgeschraubter, vorsichtiger, verhaltener Film ohne besondere ostentative Effekte, ohne zwanghafte Flüchte ins Komische und ohne irgendwelche Stars in den Haupt- oder Nebenrollen. Er erzählt eine autobiographisch eingefärbte Geschichte in einer jüdischen US-Siedlung in den späten 60er Jahren. Und die Coens haben, vor allem zwischen dem Text, endlich einmal etwas zu erzählen über Menschen, Lebensweisen, Anschauungen – ohne dass sie dabei auf die lieb gewonnenen Stilmittel verzichten müssten. Denn "A Serious Man" ist genauso brillant inszeniert, genauso gerissen geschrieben und auch genauso komisch-lakonisch wie die anderen besseren Arbeiten des Regiegespanns.
Besonders schön ist, dass es dem Film gelingt, die herkömmliche Coensche Filmsprache mit einer authentischen, anrührenden und liebevollen Geschichte zu vereinbaren. Diese dreht sich um Larry Gopnik, einen sympathischen Lehrer, Ehemann und Vater. Einen, es ist leider so, totalen Loser. Denn über Larry ist eine Pechwolke gezogen, die nicht mehr verschwinden möchte. Es beginnt mit Scheidung, es endet mit dem Tod. Vermutlich zumindest. So genau weiß man das nicht. Das ist auch nicht wichtig. Gemeinsam mit Larry erkundet der Zuschauer nämlich eine skurrile jüdische Subkultur, die nach Gesetzen (zweifellos überhöhter) Eigenheiten und bitterböser Absurditäten funktioniert. Eine in jiddisch gedrehte irrwitzige Exposition (die keine ist) veranschaulicht das gleich zu Beginn – hier gibt es einiges zu lernen. Vor allem über die Selbstironie der Coens, über die Sicht auf sich selbst, ihre Kultur, ihre Herkunft und ihre Erziehung.

Warum Larry, dem "Serious Man", im Laufe der Handlung so konsequent viel Unheil widerfährt, das weiß man nicht. Das erfährt man auch nicht. Denn, hier dürfen die Coen-Brüder ganz die alten sein, spinnen sie Zusammenhänge nach der ihnen eigenen Logik: In freien Parallelmontagen erzeugen sie kuriose Spannungsverhältnisse, während sie die eigentliche Erzählung gern für ausschweifende Intermezzi verlassen. Das ergibt hier indes einen Gesamtsinn, denn man erfährt viel über die Figuren und die kleine seltsame Welt, in der dieser Film verortet ist. Das hat einen ganz eigenwilligen Charme und ist trotz seiner gelegentlichen Zähheit und Coen-typischen Humordialektik um einiges interessanter als die rein filmtechnischen Spielereien Marke "No Country for Old Men".

70% - erschienen bei den: 5 FILMFREUNDEN

Januar 19, 2010

Meine 7 Jeff-Bridges-Lieblingsrollen!

Eine persönliche Auswahl, im vollen Bewusstsein, dass Jeff Bridges selbst in Grotten wie "Blown Away" noch erstklassig ist. PS: Weitere Bridges-Postings nicht ausgeschlossen. :)

7. Tucker (Preston Tucker)

Gilt ja nur als semi-guter Coppola-Film, was aber gewiss nicht an Bridges liegt. Er ist unglaublich gut als idealistischer Autounternehmer, der einer ganzen Industrie den Kampf erklärt. Eine seiner präzisesten, aber auch spielfreudigsten Darstellungen.

6. How to Lose Friends and Alienate People (Clayton Harding)

Ich mochte den Film vermutlich nur wegen Bridges’ königlicher Darstellung eines auf allen nur erdenklichen Off-Spuren wandelnden Modechefredakteurs, gegen dessen Frisur selbst Javier Bardem abkackt. Und der Beweis: Auch in Nebenrollen glänzt der Mann und spielt alle an die Wand.

5. American Heart (Jack Kelson)

Ein schäbiger, wüster, vergessener Indie-Film anno 1992 mit Edward Furlong. Bridges gibt wieder einmal den süffigen Arsch (diesmal allerdings durchtrainiert!), schafft es jedoch mit begnadeter Leichtigkeit, die moralische Zerrissenheit eines sorglosen Vaters ergreifend und menschlich darzustellen. Der Film selbst ist ein sicher schwächelndes, aber effektives Sozialdrama, das – Überraschung! – ganz von Bridges lebt.

4. The Door in the Floor (Ted Cole)

Eine der sensibelsten, einfühlsamsten und meistunter- schätzten Rollen unter den vielen, vielen vielseitigen Typen, die Bridges gespielt hat (Zungenbrecher beabsichtigt). Die letzte Einstellung ist für sich genommen schon groß, aber sie wird nur wirklich gigantisch, weil Bridges sie spielt.

3. The Big Lebowski (The Dude)

Wie so oft in Bridges’ Arbeiten wäre der Film ohne ihn ein reines Nichts. Er ist nicht die halbe, er ist die ganze Miete. Die Coens haben eine originäre Figur geschrieben, Bridges hat sie zum Leben erweckt und unsterblich gemacht.

2. The Last Picture Show (Duane Jackson)

Die erste wirklich wichtige Rolle in Bridges’ Karriere. Ein unglaublicher Film, das sowieso, aber ein ebenso unglaublicher Jeff als debiler Kleinstadt-Teenie, der mit Fäusten besser umzugehen weiß als mit Worten. Seine erste von nur vier Oscarnominierungen – schon damals hätte er den Preis verdient gehabt.

1. Arlington Road (Michael Faraday)

Dies war der Film, bei dem sich Bridges mir erstmals wirklich eingebrannt hat. Eine unfassbar subtile schauspielerische Leistung. Der ganze Film wäre nichts ohne Bridges. Alle erdenklichen Wendungen in der Geschichte finden durch sein Spiel statt. Allein die ersten Minuten, in denen er völlig fassungslos einen verletzten Jungen in den Armen trägt, sind eine Meisterleistung an Ausdruck.



Eine Anekdote zum Schluss: In Übersetzungsprogrammen wird Jeff Bridges gewöhnlich Jeff Brücken genannt.


UND WELCHE COEN-FIGUR BIST DU?

Januar 18, 2010

News: JEFF BRIDGES = GOTT

Letzte Woche sah ich "Crazy Heart" im Kino und habe mich erneut in Jeff Bridges verliebt. Er ist jetzt also mein Lieblings-Lieblingsschauspieler. Und vielleicht, nein verdammt noch mal, ganz bestimmt wird er am 7. März auch endlich seinen Oscar bekommen - fast 40 Jahre nach seiner ersten Nominierung für Bogdanovichs Meisterstück "The Last Picture Show".

Die anderen Gewinner des gestrigen Golden-Globe-Abends schwanken dann von eher unbedeutend (Meryl Streep) über fragwürdig (James Cameron) bis zu schlicht lächerlich ("The Hangover"). Schön (und absolut vorhersehbar) war der Globe für John Lithgows außerordentlich ekelhafte und geoveracte Leistung in der tollen vierten Staffel von "Dexter".

Januar 04, 2010

Das war's: Rückblick 2009 - Top 10 und so

10. (500) DAYS OF SUMMER(Marc Webb)


9. CORALINE
(Henry Selick)


8. BOY A
(John Crowley)


7. ZOMBIELAND
(Ruben Fleischer)


6. CITY OF BORDERS
(Yun Suh)


5. THE WRESTLER
(Darren Aronofsky)


4. REVOLUTIONARY ROAD
(Sam Mendes)


3. THE HURT LOCKER
(Kathryn Bigelow)


2. ANTICHRIST
(Lars von Trier)


1. MILK
(Gus Van Sant)


0½. SYNECDOCHE, NEW YORK
(Charlie Kaufman)



Runner Up's:

  • Adventureland (Greg Mottola)
  • Drifter (Sebastian Heidinger)
  • Christoph Schlingensief - Die Piloten (Christoph Schlingensief, Cordula Kablitz-Post)
  • Punisher: War Zone (Lexi Alexander)
  • Zum Vergleich (Harun Farocki)
  • Das Ende des Schweins ist der Anfang der Wurst (John Edward Heys)
  • Gevald (Netalie Braun)
  • Changeling (Clint Eastwood)
  • Mesrine: L'instinct de mort (Public Enemy No. 1) (Jean-François Richet)
  • Drag Me to Hell (Sam Raimi)
  • Retouches (Georges Schwizgebel)
  • Taking Woodstock (Ang Lee)
  • Partly Cloudy (Peter Sohn)
  • Orphan (Jaume Collet-Serra)
  • The Princess and the Frog (Ron Clements, John Musker)

Gehobenes Mittelfeld:

  • Bolt (Byron Howard, Chris Williams)
  • Diary of the Dead (George Romero)
  • High Life (Gary Yates)
  • Gran Torino (Clint Eastwood)
  • Queer Sarajevo Festival 2008 (Masa Hilcisin, Cazim Dervisevic)
  • Duplicity (Tony Gilroy)
  • Star Trek (J.J. Abrams)
  • Away We Go (Sam Mendes)
  • District 9 (Neill Blomkamp)

Annehmbar:

  • Män som hatar kvinnor [Verblendung] (Niels Arden Oplev)
  • Saw V (David Hackl)
  • Friday the 13th (Marcus Nispel)
  • Rachel Getting Married (Jonathan Demme)
  • The Boat That Rocked (Richard Curtis)
  • My Bloody Valentine 3D (Patrick Lussier)
  • Brüno (Larry Charles)
  • Harry Potter and the Half Blood Prince (David Yates)
  • Fanboys (Kyle Newman)
  • G.I. Joe: Rise of Cobra (Stephen Sommers)
  • Inglourious Basterds (Quentin Tarantino)
  • The Final Destination (David R. Ellis)
  • Up (Pete Docter, Bob Peterson)
  • The Twilight Saga: New Moon (Chris Weitz)
  • Ein Traum in Erdbeerfolie (Marco Wilms)
  • Where the Wild Things Are (Spike Jonze)
  • Avatar (James Cameron)

Blöd, aber kleinere Geistesblitze nicht ausgeschlossen:

  • Twilight (Kathryn Hardwicke)
  • Tanjong rhu (Junfeng Boo)
  • Slumdog Millionaire (Danny Boyle)
  • The Children (Tom Shankland)
  • Watchmen (Zack Snyder)
  • The Uninvited (Charles Guard, Thomas Guard)
  • A Christmas Carol (Robert Zemeckis)
  • Saw VI (Kevin Greutert)
  • Whatever Works (Woody Allen)
  • Soul Kitchen (Fatih Akin)

Daneben:

  • Jerichow (Christian Petzold)
  • Valkyrie (Bryan Singer)
  • Monsterland (Jörg Buttgereit)
  • Frost/Nixon (Ron Howard)
  • The Last House on the Left (Dennis Iliadis)
  • Rückenwind (Jan Krüger)
  • The Hangover (Todd Phillips)
  • Che: Part One (Steven Soderbergh)
  • Che: Part Two (Steven Soderbergh)
  • 2012 (Roland Emmerich)

Brechmittel:

  • Seven Pounds (Gabriele Muccino)
  • End of Love (Simon Chung)
  • Repo! The Genetic Opera (Darren Lynn Bousman)
  • W. (Oliver Stone)
  • His Name Was Jason: 30 Years of Friday the 13th (Daniel Farrands)
  • Vingança (Retribution) (Paulo Pons)
  • The Time Traveler's Wife (Robert Schwentke)
  • The Curious Case of Benjamin Button (David Fincher)
  • The Reader (Stephen Daldry)
  • X-Men Origins: Wolverine (Gavin Hood)
  • Funny People (Judd Apatow)
  • Terminator Salvation (McG)
  • Rohtenburg (Martin Weisz)
  • Public Enemies (Michael Mann)

Körperverletzung:

  • The Spirit (Frank Miller)
  • Obsessed (Steve Shill)
  • Homecoming (Morgan J. Freeman)
  • Zweiohrküken (Til Schweiger)
  • Transformers: Revenge of the Fallen (Michael Bay)


(berücksichtigt wurden ausschließlich deutsche Kino- oder DVD-Premieren-Starts und deutsche Festivaltermine)