April 13, 2008

Retro: RAIDERS OF THE LOST ARK (1981)

Vielleicht bildet "Raiders of the Lost Ark" eine spannende Ausnahme in Steven Spielbergs Œuvre, weil der Film genauere Einblicke in die stilistischen Signaturen seines Machers bzw. seiner Macher gibt. Er ist ein Gemeinschaftsprojekt der einstmals erfolgreichsten Regisseure Hollywoods, George Lucas und eben Steven Spielberg, der eine in der Position des Ideengebers und Produzenten, der andere auf dem Regieposten. Die Zusammenarbeit der mächtigen Filmgiganten versprach eine neuen Maßstab im Unterhaltungskino, heraus kam hingegen etwas Kleineres, manchmal gar Intimes und angenehm Hingeschludertes – wie gesagt, auch ein Film, der es ermöglicht, dem Wunderkind der Traumfabrik in die Karten schauen zu können. 

"Raiders of the Lost Ark" ist kein hundertprozentiger Spielberg-Film, obwohl er hundertprozentig wie einer funktioniert. Spielberg hat mit seinen vorherigen Arbeiten großes Geschichtenerzählen bewiesen. Es gelang ihm nahezu lückenlos, das Publikum für verschiedenste Stoffe zu begeistern, die ihrerseits nahezu lückenlos waren: Geschichten über Ereignisse, die jede Ordnung aus dem Gleichgewicht bringen, um schließlich wieder zusammengefügt zu werden. Er harmonisiert, zerstört und harmonisiert erneut, Zuschauerbindung und Zuschauererlösung als zweistündige Berg- und Talfahrt. Spielberg schickt den Zuschauer nicht allein ins Abenteuer, er nimmt ihn an die Hand. Sein verlockender Eskapismus aber ist keine Einladung, eher eine sehr einseitige Vereinbarung, und sie findet meist innerhalb der ersten Filmminuten statt. Wer in einem Spielberg-Film auf seine Kosten kommen möchte, der muss seinem Schöpfer bedingungslos folgen, muss sich ihm gewissermaßen auch: ergeben.

In "Raiders of the Lost Ark" bleibt nicht einmal Zeit, sich auf den Film einzulassen: Sofort bindet Spielberg den Zuschauer ans Geschehen. Das Berg-Logo des Verleihs Paramount geht unmittelbar in die Szenerie über. Und wenn man nicht bereit ist, das so abenteuerliche wie unwahrscheinliche Geschehen zu akzeptieren, wird man die nächsten zwei Stunden vermutlich außen vor bleiben. Angelehnt an die Pre-Title-Sequenzen der James-Bond-Filme sowie den Serials und Cliffhangern, die Spielberg und Lucas offenkundig beeindruckt haben, eröffnet der Film mit einer rasanten Schatzsuche, die das Tempo der Handlung angibt, den Helden und seinen Antagonisten einführt und mit Fallen- und Hindernismanövern angemessen freudvoll beginnt. Das Opening ist Verlockung und Bedingung zugleich. 

Die ersten Szenen des Films kokettieren mit ihrer Brillanz. Mythisch von Sonnenstrahlen durchflutete Dschungelbilder, exotische Spielwiesen mit starken Schattierungen und gleißendem, direkt in die Kameralinse einstrahlenden Lichtkegeln, als stelle Spielberg seine Verblendungstaktiken genüsslich aus. Die Partitur von John Williams bewegt sich unaufhörlich von Höhepunkt zu Höhepunkt, eine schunkelnde Marschmusik hier, ein geheimnisvolles Schatzsuchenthema dort – und die Bundeslade, jenes archäologische Fantasiegebilde, in dem die Steintafeln der Zehn Gebote lagern sollen, bekommt eine buchstäblich überhöhte Note spendiert. Michael Kahn hält das Geschehen vorbildlich zusammen, alle Action wird über den Schnitt choreographiert. Explosionen gibt es auch, bezeichnenderweise sind sie in den Bildhintergrund verlagert. 

Immer wieder kehrt im Film ein zentrales Motiv zurück: Indiana Jones erscheint auf der Bildfläche nur als Silhouette, meist übermächtig (am stärksten in der Einstellung, die seine Gefährtin Marion in ihrer Absteige von Kaminfeuerlicht umhüllt zeigt, ehe sich der große Schatten ihres Verflossenen Indiana Jones über sie legt). Das macht Stimmung, die Figur wird als ikonischer Helden ins Bild geschrieben, bevor er sich überhaupt als solcher erweisen kann – so überlebensgroß, dass sein eigenes Abbild ihm vorauszueilen scheint. Mit Indiana Jones als Archäologieprofessor, der neben seiner Lehrtätigkeit auch gern mit lässigem Schlapphut und Peitsche auf Reliktsuche geht, versuchen sich Spielberg/Lucas an einem eigenen Archetyp. Zwar rekurriert die Kombination aus Intelligenz (Jones als Akademiker), Attraktivität (Jones als Playboy) und Hartnäckigkeit (niemand kann dem Helden tatsächlich etwas anhaben) auf James Bond. Im amerikanischen Männerhelden- und Körperkino der 1980er Jahre aber hinterließ Indiana Jones doch sehr eigene Spuren. 

 Ziemlich drüber sind auch die Bösewichte, in diesem Fall die Nazis, die für Adolf Hitler nach der Bundeslade suchen. Das Machtstreben der deutschen Barbaren wird hier zu einer okkulten Pulpgeschichte umfunktioniert, erstaunlicherweise übernimmt sich der Film mit diesen Karikaturen nicht, sie sind genauso ein Teil des Unwahrscheinlichen, am Ende rächen sich jüdische Seelen an den Errichtern der Konzentrationslager. Wie überhaupt alle Spielberg-Arbeiten ist "Raiders of the Lost Ark" scheinbar unbefangen. Der eingängigste Gag des Films zeigt die Konfrontation des Revolverhelden mit einem Säbel schwingenden Araber, den er – fast gelangweilt von dessen Glauben, eine ernsthafte Gefahr für ihn zu sein – unbeeindruckt erschießt. In der Fortsetzung übersteigern Spielberg und Lucas solche gedankenlosen Stereotype noch, wenn Indy als siegreiche Reinkarnation britischer Kolonialfantasien auftritt. 

Es ist natürlich ein großes Erlebnis, diesem ersten Abenteuer von Indiana Jones zuzuschauen, und dass der Film mehr Spaß macht, als er dürfte, gehört zu den spannenden Widersprüchen in der Beschäftigung mit Spielberg.