März 04, 2008

Kino: 10,000 B.C.

Irgendwie in der Steinzeit, irgendwann vor 10 000 Jahren, irgendwo auf dem afrikanischen Kontinent: D'Leh (nicht zu verwechseln mit delay = störende Verzögerung) ist ein Urmensch im Rastalook, der statt mit der Keule ums Lagerfeuer zu tanzen lieber seiner Angebeteten Stammes- schwester Evolet nachsteigt, die mit ihren blauen Augen einen Sonderstatus bei Obergreisin Old Mother einnimmt. Um allerdings offiziell in den Besitz der schönen Wilden zu kommen, muss D'Leh erst einmal ein Mammut erlegen, ehe er den weißen Speer und damit auch das Objekt seiner Begierde sein eigen nennen darf. Leider brechen alsbald einige gemeine – im Gegensatz zu unserem Rastavolk nicht englischsprachige – Barbaren übers Dorf herein und entführen Evolet samt Freunde. Das kann der Krieger D'Leh nicht auf sich sitzen lassen und verfolgt die fremden Bösewichte über Stock und Stein, bis er nach Abenteuern mit Säbelzahntigern und Flugsauriern (?) schließlich die Pyramiden erreicht.

Nachdem er mit "The Day After Tomorrow" ja tatsächlich so etwas wie einen anspruchsvollen Blockbuster auf die Beine gestellt hatte, zumindest einen Film, der sich nicht ausschließlich an seiner Effektshow ergötzte, sondern mit recht ernstem Ton daherkam und somit im Grunde allen vorherigen Arbeiten des Regisseurs widersprach, geht Roland Emmerich nach diesem Schritt vor lieber gleich wieder zwei zurück. "10,000 B.C." ist die PG-Antwort auf den Trend zur Rückbesinnung, den Wunsch nach alten großen Geschichten vom Beginn der Menschheit und der Kulturen, Geschichten, die ebenso wüst wie archaisch vom Ursprünglichen berichten, vom Überlebenskampf, vom Anfang des Seins. Er vereint diese Erzählform, die natürlich nur deshalb aufs Einfachste beschränkt ist, um einen möglichst urechten Charakter zu erhalten, mit Konsenselementen gängigen Popcornkinos – "Stargate" trifft auf "The 13th Warrior", "The Scorpion King" auf "300", "Conan the Barbarian" auf "Pathfinder".

Der Film nimmt sich indes noch ein ganzes Stück ernster als die genannten, aber das sei ihm vergönnt. Denn sein Ehrgeiz erreicht nicht die Qualität des offensichtlichen Vorbildes, Mel Gibsons "Apocalypto". Hier wie dort geht es um behütete Naturmenschen, die in hierarchisierten Familienverhältnissen ein friedvolles Leben führen, ehe die Ruhe von barbarischen Unmenschen gestört wird, die sie in urbanes Terrain zwingen. Was bei Gibsons ambitionierter Geschichtsrevision zur reaktionären Ode auf Familie und Patriarchat gerann, taucht im Fall Emmerich allerdings bestenfalls zur Kostümkomödie. "10,000 B.C." ist Ethno-Quatsch mit Roland. Hier geht es ums Spektakel, nicht um Ideologie, hier sollen Schauwerte bedient und der Wunsch nach Abenteuer genährt werden, mit schönen Landschaftsaufnahmen und aufregenden Effekten, einer packenden Liebesgeschichte und vielen Kämpfen, Schweiß, Muskeln; das ganze bekannte Spektrum an Männlichkeit eben.

Die Figuren haben so illustre Namen wie Tic'Tic und werden ausnahmslos von talentfreien Darstellern verkörpert (ich hätte sowieso für Vincent Raven aus 'The Next Uri Geller' in der Hauptrolle plädiert!). Selbstredend ist der Film nicht selten lustig, die Dialoge banal und in ihrer Naivität fast schon überlegt, das zur Schau stellen von Rollenverteilungen und Werten amüsant, das Beharren auf Ernsthaftigkeit, der Glaube, hier tatsächlich eine mitreißende Geschichte zu erzählen, die irgendjemanden interessieren würde, das alles kann einem diese 110 Minuten schon sehr kurzweilig erscheinen lassen. Aber das täuscht nicht darüber hinweg, dass Emmerich hier einen fürchterlich schlechten Film geschaffen hat, der von einem Komponisten mitgeschrieben wurde, der keine zwei Noten vernünftig aneinanderreihen, geschweige denn Drehbücher aufwerten kann, der zwar ordentliche Effekte bietet, diese aber nie dramaturgisch clever integriert, sodass sie Einladen zum schweißtreibenden Mitfiebern, und der eine abgestandene, uninteressante Geschichte erzählt, die einem gerade wegen ihrer Ursprünglichkeit zu den Ohren rauskommt. Wie Emmerich da in jeder zweiten Szene einen auf Spielberg zu machen versucht, hat schon fast etwas Sympathisches, würde einem nicht immer wieder die nervige Erzählerstimme jegliche Lust am Mitleid vermiesen.


10% - erschienen bei: DAS MANIFEST