Mai 12, 2007

Kino: THE HISTORY BOYS

York 1983: Sie glauben einfach schon alles zu wissen, drum machen sich die Schüler einer Geschichtsklasse aus Theorie nicht viel und spielen im Unterricht viel lieber große Literaturklassiker oder Bette Davis-Filme in verteilten Rollen praktisch nach. Ihrem Lehrer Mr. Hector (Richard Griffiths) kommt das nur zugegen, so lange er seine Jungs auf dem Nachhauseweg ein wenig betatschen darf. Doch der strenge Direktor (Clive Merrison) möchte seine Schüler disziplinieren für die Aufnahmeprüfungen der verschiedenen Elite-Univer- sitäten und stellt einen neuen Lehrer ein, den jungen Mr. Irwin (Stephen Campbell Moore). Dieser krempelt den Lehrplan kräftig um und bekommt die widerspenstige Truppe allmählich in den Griff. Einziges Problem: So wie auch der schüchterne Posner (Samuel Barnett), der Irwin in einem Schüler-Lehrer-Gespräch seine Homosexualität beichtet, entwickelt der Neuling Gefühle für den umschwärmten Dakin (Dominic Cooper).

So eine Schule möchte man als junger Schwuler doch nur zu gern besuchen: Die Mitschüler allesamt knackig und mindestens bi-, wenn nicht sowieso homosexuell, die Lehrer tuntig, der Lehrstoff erst recht, und die Schultage bestehend aus lebensklugem Schwadronieren und geschwätzigem Anstoßen auf das eigene Dasein. Man muss sich das nun alles ganz einfach wie in einer großen Seifenblase vorstellen – “The History Boys“ ist eine fleischgewordene Homofantasie, die keinen einzigen Ton trifft. Anfänglich noch atmet Nicholas Hytners Film den pubertären Geist einer gewöhnlichen College-Komödie, nimmt dann alsbald seltsame Züge eines pompösen Melodrams an, nur um sich schließlich noch zum Coming of Age-Drama zu mausern. Das ist mal sehr gefühlvoll und sensibel erzählt, zumeist allerdings reichlich naiv. Vor allem krankt die Bühnenadaption bei dem Versuch einer filmischen Umsetzung an ihrer theatralischen Überzogenheit: Große Gesten und noch größere Dialoge bestimmen das dick aufgetragene Geschehen.

Ganz unabhängig davon, dass der Film angesichts seiner Unausgegorenheit eine gewisse Ernsthaftigkeit ebenso wie nötigen Witz vermissen lässt, ärgert in “The History Boys“ und seinem Umgang mit dem Thema manch leichtfertig aufgestellte These. Wie der Epilog vermittelt, wird die zentrale Figur Posner später selbst zum Lehrer reifen und beständig damit zu kämpfen haben, seinen Schülern nicht an die Wäsche zu wollen. Damit tritt er als Klischee des schwulen Lehrers in die verklemmte Tradition von Hector und Irwin, obwohl er sein inneres wie äußeres Coming Out im Gegensatz zu diesen erfolgreich bestritten hat. Zum einen bestätigt das Drehbuch hier fatalerweise jenes Vorurteil, schwule Lehrer könnten keinerlei unsexuelles Hierarchie- verhältnis zu ihren männlichen Schülern pflegen. Vor allem aber erklärt der Film die homosexuelle Selbstfindung durch diesen Umstand für vergeblich: Zwar ist sich Posner seiner schwulen Orientierung bewusst, er wird aber dennoch ohnehin nur als verklemmter, von Trieben angeführter Lehrer enden.

So bleibt vieles in “The History Boys“ nur bonbonfarbene Konstruktion, die nicht selten an eine rosarote Variante der “Dead Poets Society“ erinnert. Die tatsächliche Tragik der Geschichte, genannt sei nur die bittere Erkenntnis Hectors, ein ganzes Leben nicht gelebt zu haben, wird in ihrem Potential weniger ausgeschöpft denn vielmehr zwischen Albernheiten und Melodramatik schwankender Selbstge- fälligkeit herunterinszeniert. Das ist dann manches Mal gar so weit bis Anschlag, dass man daran durchaus auch Gefallen finden mag. Doch insgesamt bewegt sich Hytner zu sehr am Rande prätentiöser Unverhältnismäßigkeiten – das ist selbst oder vielleicht auch gerade für schwule Zuschauer weit drüber.

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