Februar 04, 2007

Retro: PEE-WEE'S BIG ADVENTURE (1985)

Tim Burtons Kinodebüt, produziert für Warner, markiert gleichzeitig seinen Abschied von Disney. "Pee-wee's Big Adventure", die Spielfilmversion der Abenteuer vom kindlich- naiven Pee-Wee Herman, der Kunstfigur des Stand Up-Komikers Paul Reubens, entwickelte sich zu einem Überraschungserfolg, erwies sich als Eintrittskarte und vor allem auch als erster subversiver Schritt: Der Film erklärt einen weirdo auf der Suche nach seinem geliebten roten Fahrrad, einen kleinen Jungen im Erwachsenenanzug, einen anarchischen Chaoten in weißen Kinderschuhen, ja, einen queeren Charakter, der roten Lippenstift und Rouge auf den Wangen trägt, zum Star einer mit Road-Movie-Elementen untersetzten Mainstream-Komödie für die ganze Familie. Pee-Wee, verbarrikadiert in einer eigenen bunten Kinderwelt aus Spielzeug und Erfindungen, so unschuldig wie quirlig, so liebenswert wie hysterisch, ist der klassische Burton-Antiheld. Er ist so absonderlich wie schon Vincent, so übermütig wie Viktor in "Frankenweenie", und er verkörpert jenen Außenseitertyp, der eine normative Erwartungshaltung mit kindlichen Zoten konterkariert, und deshalb als Sonderling gelten muss: "I'm A Loner Dottie, A Rebel", gesteht er folgerichtig seiner Freundin.

So jemandem bringt Burton jedoch seine ganze Sympathie entgegen: Wenn in der skurrilen Welt von "Pee-wee's Big Adventure" – da treffen zurückgebliebene Millionärssöhne auf flüchtige Knackis, untote Truck-Fahrer auf schmierige Filmstudiobosse – überhaupt irgendwer "normal" erscheint, dann meint es der Film auch nicht besonders gut mit ihm. Schließlich ist es eher Pee-wee, der während seiner verrückten tour de force – die Suche nach seinem gestohlenen Fahrrad funktioniert hier sogleich als eine Metapher für die Suche überhaupt, nach einer Haltung in der Gesellschaft, einer gewissen Normalität innerhalb des Nicht-Normalen – zahlreiche merkwürdige Gestalten trifft und diese Begegnungen mit panischem Entsetzen, exaltierter Komik oder femininer Hysterie kommentiert. Der Film etabliert damit eines der grundsätzlichen Leitmotive der Protagonisten in Burtons Œuvre – die Widersprüchlichkeit zwischen einer, am Umfeld gemessen, äußerlich auffälligen, unherkömmlichen Präsenz und einer inneren Selbstwahrnehmung als unverstandener Outcast, der in seiner Verweigerung starrer Normen wiederum doch als einziger wirklich "normal" wirkt. Pee-wees Suche nach seinem Fahrrad, zugleich McGuffin und Konnotativsymbol, mündet schlussendlich in den Warner- Studios in Hollywood, wo sein Heiligtum im Rahmen einer kitschigen Kinderserie versteigert werden soll.

Dass Burton den Film zu seinem eigenen Ursprung führt, ist eine Chuzpe von geradezu unnachahmlich bissiger Schlag- kraft: Der erste Kinofilm des Regisseurs ergeht sich zunächst in fabulierender Exzentrik und quirligem Kindsgehabe, um dann hemmungslos einer dekonstruktivistischen Anarchie zu verfallen. Wenn sich Pee-wee im Finale eine halsbrecherische Verfolgungsjagd mit den Wachmännern der Warner Bros. quer durch die Hollywood-Studios, vorbei an Archetypen der Popkultur, an Godzilla, dem Weihnachtsmann und einer Heavy-Metal-Band, liefert, ehe der Studiochef ihm offeriert, von Konsequenzen abzusehen, wenn er dafür die Filmrechte an der absurden Fahrradsuche erhalten würde, ist das Burtons wunderbar impertinentes Bild jenes Systems, das er sich zum Arbeitsplatz gewählt hat. Und der Film, den Warner über Pee-wees Erlebnisse schließlich fertigt, liefert eine freie Interpretation der Ereignisse, in der das Fahrrad zum Motorbike und der Held zum maskulinen James Bond-Typ mutiert ist, der Bösewichte dezimiert und blonde Schönheiten mit flotten One-Linern beglückt. Zu dieser Umdichtung nichtkonformer Abenteuer in konventionelle Genrekinomuster hat Pee-wee zuletzt alle Freunde und Weggefährten ins Autokino geladen, um ausgelassen die Premiere des Films im Film zu feiern, was durchaus auch als versöhnlicher Ausdruck Burtons mit den Gesetzen des Mainstreams verstanden werden kann – allerdings nur, so lange er diese ad absurdum führen und schließlich neu formulieren darf.


80% - erschienen in der: filmzentrale