August 21, 2006

Kino: SNAKES ON A PLANE

In den USA kennt mittlerweile jedes Kind den Ausdruck „Snakes on a Plane“, eigentlich der Titel einer teuren C-Produktion mit B-Movie-Anstrich, nun allerdings nicht nur im Jugendjargon eine gängige Floskel. Bereits lange vor Veröffentlichung entwickelte sich ob des skurrilen Titels eine weltweite Fangemeinde, die für den größten Internet-Hype seit „The Blair Witch Project“ (1999) verantwortlich zeichnet. Unzählige Websites und Blogs befassten sich mit dem „Phänomen“, da wurden Gedichte und Songs geschrieben, Plakate kreiert, Trailer gedreht und allerhand andere Dinge ins Leben gerufen, um die Wartezeit bis zum Kinostart zu verkürzen. Der Film zum Hype kann bodenständige Erwartungen erfüllen: Er ist schlecht, er ist absurd und er ist verdammt unterhaltsam.

"I want these motherfucking snakes off this motherfucking plane."

Samuel L. Jackson („The Red Violin“) soll den Vertrag Gerüchten zufolge nur wegen des Titels unterschrieben haben. Umso bezeichnender, dass New Line Cinema scheinbar nicht einmal wusste, was für einen potentiellen Trash-Hit sie in der Mache hatten, als sie den Film in „Pacific Air Flight 121“ umbenannten – freilich gefolgt von heftigen Fan- und Crewprotesten. Nach Einsicht der Produzenten sollte dies jedoch nicht das einzige Beispiel für den Einfluss des Publikums bleiben. Letztlich wurde eine Vielzahl an Entscheidungen zugunsten der Fangemeinde getroffen, zumeist sogar in Form von Nachdrehs. So sollte „Snakes on a Plane“ ursprünglich als jugendfreier PG-13-Film in die Kinos kommen, wurde nach Einwänden der Internet-Community jedoch um nach gedrehte Gewaltszenen, sowie herbere Dialoge ergänzt und auf R-Rated-Niveau gebracht. Das ganze ist also durchaus auch kommerzielles Kalkül, nichtsdestotrotz ist es letztlich aber ein Film für die Fans geworden. Es gibt Gewalt, es gibt Titten - und es gibt natürlich Schlangen. In der Luft.

Die Idee ist so abstrus, dass daraus nur ein Hit werden konnte. Dabei ist das alles eigentlich nur ein weiterer Tierhorrorfilm mit Actioneinschlag, eine Mischung aus „Turbulence“ und „Anaconda“ grob gesagt, den Produktionen aus der Nu Image-Schmiede nicht unähnlich. Aber eines haben die anderen eben nicht: Samuel L. Jackson, der in einem Flugzeug gegen eine Horde orientierungsloser, durch Pheromone verwirrter Schlangen kämpft! Wie es dazu kommen konnte ist schnell erzählt, handelt es sich wohl um den ältesten McGuffin der B-Actionfilmgeschichte. Ein junger Biker beobachtet irgendwo in Honolulu, wie irgendwelche Gangster (die im weiteren Film auch keine Rolle mehr spielen werden) einen Mord verüben. Der FBI-Agent Nelville Flynn will den Zeugen zum Schutz nach Los Angeles bringen. Auf dem Flug dahin allerdings befinden sich auch Hunderte Schlangen - Mambas, Pythons und Kobras, die den Passagieren, sexgeile Teenager, Sprüche klopfende Afroamerikaner und knapp bekleidete Stewardessen, das Leben schwer machen wollen.

At 30,000 feet, snakes aren't the deadliest thing on this plane.

Mit Regisseur David R. Ellis, der bereits in „Final Destination 2“ für extravagante Todesarten sorgte, hat New Line den richtigen Mann für „Snakes on a Plane“ verpflichtet. Der Film macht keinen Hehl daraus, dass er eine hanebüchene Geschichte zu erzählen hat, jedes nur erdenkliche Klischee bedient und nicht einmal in Ansätzen etwas - von der Idee abgesehen - Innovatives bieten kann, sondern eben grundsolide durchinszeniert ist, sich auf niveaulose, aber doch verdammt witzige Einfälle verlassen kann und dabei kaum Durchhänger aufkommen lässt. Und streng genommen ist „Snakes on a Plane“ ohnehin ein einziger sinnfreier Leerlauf, ein konstitutiver Trashfilm sozusagen, der die Trivialität zum Prinzip macht.

Essentiell ist dabei die Darstellung der Schlangen. Die 33 Mio. US-Dollar Budget sieht man den visuellen Effekten nicht wirklich an, die animierten Schlangen sehen ungleich schlechter aus als ihre trainierten, wirklichen Kollegen. Dem Charme des Films kommt das jedoch zu Gute, denn die Attacken der Reptilien sind erfreulich zahlreich, über zu wenig Screen-Time wird man kaum klagen können. Die nachträglich gedrehten, etwas härteren Szenen sind überdeutlich als später platzierte, Selbstzweck hafte Momente zu erkennen, allerdings möchte man sie nicht missen. Die Schlangen toben sich nämlich derart zynisch (und selbstverständlich außerordentlich unrealistisch) aus, dass diese in Brustwarzen, Genitalien und überhaupt alle Öffnungen des menschlichen Körpers beißen oder verschwinden, ohne waschechten Gore zwar, aber doch erstaunlich eklig. Das Drehbuch lässt dann auch keine Gelegenheit aus, dem bitterbösen Humor freien Lauf zu lassen (Stichwort: Hund). Und da es letztlich das ist, was das Publikum, die Fans sehen wollten, enttäuscht „Snakes on a Plane“ wahrlich nicht.

Bleibt zu sagen, dass man mit Samuel L. Jackson und seinen giftigen Anhängern eine Menge Spaß haben kann, wenn man denn möchte. Manches Mal hätte es zwar gerne doch etwas origineller sein dürfen und insbesondere zum Ende hin verschenkt der Film einige Chancen (der etwas unspektakuläre Abgang der Riesenschlange), den überaus naiven Gesamteindruck kann das aber nur marginal beeinträchtigen. Wäre da nicht der Titel, dann würde Ellis’ Flugzeughorror rein qualitativ wohl vermutlich eher irgendwo auf dem unersättlichen Video/DVD-Markt ein tristes Dasein verbringen, aber gerade deshalb sollten Freunde zweitklassiger Kost den Kinobesuch besonders genießen. „Snakes on a Train“ kann kommen!

Wertung: 6/10 - Kinostart: 07.09.2006